„Das geniale Gedächtnis“ von Hannah Monyer und Martin Gessmann, Buchbesprechung von Ursula Sporer

Das geniale Gedächtnis“ von Hannah Monyer und Martin Gessmann, erschienen 2015 im Knaus Verlag, 256  Seiten, Erstausgabe 2015, 256 Seiten, Preis 19,99 €

Die Neurobiologin Hannah Monyer und der Philosoph Martin Gessmann  haben sich zu einem ungewöhnlichen akademischen Duo zusammen gefunden, um sich aus der (neurowissenschaftlichen) Innensicht und der  (philosophischen) Draufsicht dem Phänomen des Gedächtnisses zu nähern.  Hannah Monyer sieht das Gedächtnis nicht als einen Ort, der als simpler Speicher für Informationen zur späteren Verwendung dient, sondern als hochdynamisches Netzwerk mit der Fähigkeit vor allem vorauszuschauen und zukünftige Wege vorzubereiten. Martin Gessmann ergänzt: „Wollen wir die Vergangenheit und uns selbst darin verstehen, müssen wir in die Zukunft blicken“. Die beiden Wissenschaftler wollen unser Verständnis vom Gedächtnis umpolen und revolutionieren: Das Gedächtnis blicke grundsätzlich nach vorne, seine Hauptaufgabe bestehe in der Lebensplanung. Es gehe
nicht darum, Erlebtes abzulegen und aufzubewahren, sondern ständig neu  aufzubereiten und damit zukunftstauglich zu machen. In acht Kapiteln widmen sie sich

  • den neuronalen Grundlagen
  • dem Arbeitsgedächtnis und dem episodischen Gedächtnis
  • neuen Erkenntnissen vom Träumen und Schlafen
  • falschen Erinnerungen
  • dem Gedächtnis der Gefühle
  • der Gedächtnisleistung beim Älterwerden
  • dem kollektiven Gedächtnis und der interaktiven Gegenwartskultur

In den abschließenden Kapiteln erläutern beide Forscher ihre durchaus kritische Sicht auf das Human Brain Project der Europäischen Union, das 2013 gestartet wurde.

„Das geniale Gedächtnis“ ist kein wissenschaftliches Buch im engen Sinn, aber es enthält viel Wissenschaft. Es bietet einen Überblick über die aktuelle Forschung und einen spannenden Ausblick auf Kommendes. Die Leidenschaft der Autoren für ihr Anliegen und der Respekt für die Fachgebiete des jeweils anderen sind in jedem Kapitel spürbar und wirken ansteckend.

Ich schließe mit einem Zitat: „…unser Gedächtnis hat seine Aufgabe dann gut gemacht, wenn es uns am Ende unserer Tage noch einmal gelingt, uns selbst in dem Leben, das hinter uns liegt, wiederzuerkennen. Wenn wir sagen können, das waren wir, die so oder so durchs Leben gegangen sind, wie verwickelt und verworren die Linien auch gewesen sein mögen, denen wir im Einzelnen dabei gefolgt sind.“