How do you feel towards me? – Ein Erfahrungsbericht aus Montreal

Unsere Jahrestagung 2017 in Berlin wird den Titel haben: „Wie fühlen Sie mir gegenüber?“

Wie oft haben wir unseren Patienten diese Frage schon gestellt? Wie oft haben wir uns in den Closed Circuit Training Workshops in Montreal diese Frage gegenseitig gestellt?

Wie oft hat Davanloo diese Frage seinem Gegenüber in all den Jahrzehnten schon gestellt?

Es gab einen Moment in einem Closed Circuit Training Workshop im Frühjahr 2016, den ich nicht vergessen werde. Wir analysierten gerade zum x-ten Mal das Video eines sehr guten Interviews, das zwei Workshop-Teilnehmer miteinander gemacht hatten. Es war eine kurze Arbeit von etwa 15 bis 20 Minuten, bei dem es nach einer Minute zu einem tiefen und insgesamt sehr bewegenden Durchbruch ins Unbewusste gekommen war und zu einem enorm machtvollen Erleben und Abfließen von Schuldgefühlen. Davanloo sagte damals: „You see, it is teachable. It is not a matter of charisma, it is not a matter of magic, it is not a matter of genius. It is teachable. You can learn it.“ Er meinte damit, dass wir lernen können, die Übertragungskomponente des Widerstandes in die beste Position zu bringen, um dadurch hohe Mengen an Wut, Sadismus und Schuldgefühlen zu entfernen und um damit nicht nur die Ausbildung von Übertragungsneurosen zu verhindern, sondern vor allem, um multidimensionale strukturelle Veränderungen im Unbewussten zu ermöglichen. So dass sich eine (auch in frühen Lebensmonaten) beschädigte unbewusste Abwehrorganisation hin zu einer funktionsfähigen, gesunden unbewussten Abwehrorganisation entwickeln kann. So dass das Individuum wieder „Herr im eigenen Hause“ werden kann und nicht in dem Kolonialismus aus verdrängten Wut- und Schuldgefühlen gefangen bleibt. So dass menschliche Beziehungen wieder von Liebe und Wertschätzung bestimmt werden und nicht mehr von kompetitiver Destruktivität.

Das war der Moment, in dem ich mich endgültig entschieden habe, meine Arbeitsweise zu verändern und Davanloos alte und vor allem aber die neueste Lehre (letztere gereift wie ein sehr guter sehr alter Wein) möglichst präzise umzusetzen. Ich habe damals auch beschlossen, mit meinen Patienten zusammen alle Videos anzuschauen. Diese Art zu arbeiten ist sehr fruchtbar. Die Analysephasen sind seither sehr kurz. Ich bitte meine Patienten, mit mir gemeinsam die Videos zu analysieren. Ich lerne dabei sehr viel.

Ich möchte die Leser des Newsletters fragen: „Was tun SIE, wenn eine IS-TDP Therapiestunde   misslingt?“

Davanloo hat tausende Videos analysiert. Immer wieder vorwärts- und rückwärts gespult, um das Unbewusste tiefer und tiefer zu erforschen. Es gibt Videos, die hat Davanloo hunderte Male analysiert. Haben wir das je getan? Um besser und besser zu begreifen. Um Gefühle, Widerstand und die verschiedenen Formen der Übertragungsneurosen zu ergründen. Um den Rhythmus des Unbewussten zu erspüren und um im Einklang („auf der gleichen Welle“) zu sein mit den Bewegungen des Unbewussten.

In dieser gründlichen, sorgfältigen Art, voller Ehrlichkeit, voller Integrität, voller Humor und Zartgefühl, kämpft Davanloo für die emotionale Freiheit des Menschen. In dieser schnelllebigen, oberflächlichen Zeit erinnert mich seine unvergleichliche Art zu forschen und zu lehren an alte würdevolle Meister. Vielleicht an Mozart oder Bach, die von ihrer Musik durchdrungen und echte Genies waren.

Die Kunst, Klangkörper zu sein für die Misstöne und für die schöne Musik, die aus den unbewussten Tiefen des Patienten klingt. Und die Kunst, den Einsatz nicht zu verpassen und im rechten Augenblick mit Entschlossenheit und Kampfesmut die Hand zu reichen, damit die Angst überwunden werden kann.

„How do you feel towards me?“