Wieviel Prozent „Abbrecher“ gibt es bei Ihnen in der ISTDP?

Als diese Frage in der Abschlussdiskussion der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für IS-TDP in Berlin im September 2017 gestellt wurde, war ein deutliches Zögern zu spüren. In der Tat ist die Frage nicht ad hoc mit allgemeingültigen Prozentzahlen zu beantworten. Jeder IS-TDP Therapeut kann den Anteil an Therapieabbrüchen nur für sich selbst einschätzen. Je nach Arbeitskontext, Berufserfahrung und der Situation des eigenen Unbewussten werden sich die Abbruchraten unterscheiden. Es gibt KollegInnen, die ausschließlich nach Davanloos IS-TDP arbeiten und die ein Klientel haben, das explizit mit dieser Therapieform arbeiten möchte. Manche KollegInnen bekommen Patienten fast nur über Mundpropaganda zugewiesen. Andere KollegInnen wenden neben der IS-TDP auch andere Psychotherapiemethoden an. Wieder andere KollegInnen begleiten eine große Zahl Ausbildungskandidaten in der Selbsterfahrung. Manche arbeiten in einer Klinik, auf Station oder in der Ambulanz. In meiner kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis, aber auch in meiner stationären jugendpsychiatrischen Arbeit, entscheide ich selbst, wem ich die therapeutische Arbeit nach Davanloo anbiete und wem nicht. Für mein Klientel schätze ich die Abbruchrate folgendermaßen ein: bei Ausbildungskandidaten in Selbsterfahrung geht die Abbruchrate gegen Null. Für Jugendliche und junge Erwachsene aus der Jugendhilfe schätze ich die Abbruchrate um die 50% ein. Bei den dissozialen Jugendlichen, die ich im Zwangskontext in einer geschlossenen Abteilung für Jugendpsychiatrie behandele, würde die Abbruchrate vielleicht bei 90% liegen, wenn ich jedem die psychotherapeutische Arbeit nach Davanloo anbieten würde. Die Abbruchrate der Patientinnen mit Anorexia nervosa in meiner Praxis liegt hingegen schätzungsweise bei 10 %. Bei jungen Erwachsenen, die gezielt für die IS-TDP nach Davanloo zu mir kommen, insbesondere wenn es sich um Studenten handelt, liegt die Abbruchrate vielleicht bei 5-10%. Von den wenigen Patienten, die mit der (nicht von mir gestellten Diagnose) Borderline-Störung gekommen sind, sind etwa 70% bei der Stange geblieben. Schon recht häufig hatte ich den Fall, dass Jugendliche/Erwachsene nach Monaten oder Jahren wiederkamen und die Arbeit nach Davenloo fortsetzen wollten. In meinen geschätzten Prozentzahlen sind auch jene Fälle inbegriffen, die sich nach dem Erstinterview gegen eine weitere psychotherapeutische Arbeit nach Davanloo entscheiden. Nach einem Erstinterview hat Davanloo IMMER nachgefragt, ob der Patient auf diese Weise weiterarbeiten möchte oder nicht. Und dies soll auch die Regel  bei der jüngeren Therapeutengenerationen sein. Ist ein NEIN in diesem Moment überhaupt gleichbedeutend einem Therapieabbruch? Das Erstinterview nach Davanloo ist dazu gedacht, dass die Patienten die Methode kennenlernen können und sich danach dafür oder dagegen entscheiden. Wenn die Patienten sich gegen diese Methode entscheiden, oder wenn wir uns selbst dagegen entscheiden, überweisen wir zu anderen Psychotherapeuten oder wir arbeiten mit diesen Patienten mit einer anderen Methode weiter. Auch wenn ich z.B. traumatherapeutisch (nach verschiedenen bekannten Verfahren) weiterarbeite  oder rein zukunftsorientiert und ressourcenorientiert, so fließen doch meist Elemente der Davaloo-Arbeit mit ein. Aber: Meine höchste Hochachtung gilt denen (z.B. Psychologen und Ärzte, die mit schweren Borderline-Störungen im stationären Setting arbeiten) und die dort anfangen, wo wir aufhören, oder umgekehrt, die den Grundstein legen zu einer Strukturbesserung, die uns Therapeuten, die wir nach Davannloos IS-TDP arbeiten, einen Einstieg erst möglich macht.

Angela Schmitt