Autorenname: Irene Ostertag

Workshop 1: Einführung in die IS-TDP nach Davanloo

Ausgehend von der Analyse von Ausschnitten aus dem Video eines Erstgesprächs werden wir uns mit der IS-TDP beschäftigen. Dabei werden wichtige theoretische Grundlagen für zum Beispiel den Aufbau der therapeutischen Beziehung, den Umgang mit Angst und Widerstand und das Erleben von komplexen Gefühlen diskutiert und praxisnah erfahrbar.

Dieser Workshop richtet sich vor allem an Interessierte, die noch keine Vorerfahrungen in IS-TDP mitbringen. 

I. Ostertag

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Dynamik des Zugangs zum Unbewussten im Verlauf einer Therapie

Die therapeutische Arbeit von Patientin und Therapeutin verläuft als dynamischer Prozess, innerhalb einer Stunde und ebenso von Stunde zu Stunde. Dabei kann die Mobilisierung des Unbewussten und damit die Mobilisierung der verdrängten Gefühle unterschiedliche Intensität, Qualität und Tiefe erreiche. Sind es zu Beginn einer Therapie eher oberflächlichere Schichten, werden im Therapieverlauf in späteren Stunden mehr und mehr intensivere Qualitäten der Gefühle und tiefere Schichten des Unbewussten zugänglich.

Mit Videosequenzen aus dem Anfang und dem Ende einer Therapie solle diese Dynamik dargestellt und diskutiert werden.

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IS-TDP-Einführungskurs am 16.10.2021 in Nürnberg

Der Umgang mit Angst und Widerstand und der Zugang zum Unbewussten in der Intensiven Psychodynamischen Kurzzeittherapie nach Davanloo
Ein Einführungskurs am 
16. Oktober 2021 in Nürnberg

Alle Informationen finden Sie auf dem Flyer zum Download.

Die IS-TDP (Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy) wurde von Habib Davanloo seit den 1960er Jahren in Montreal entwickelt. Ziele sind, mithilfe einer guten Teamarbeit in der therapeutischen Beziehung den Patient*innen zu ermöglichen, Angst und Widerstände zu erkennen und zu überwinden, um komplexe Gefühle innerlich zu durchleben und die unbewussten verdrängten Gefühle und Erlebnisse mit den frühen Bezugspersonen aufzudecken.

Nach einer Einführung in die Theorie werden wir ausgehend von der Analyse audiovisueller Aufzeichnungen von Therapiesitzungen die Methode praxisnah einer genauen Betrachtung unterziehen und konzeptionelle und behandlungstechnische Fragen diskutieren.

Ort: Hotel Victoria, Königstr.80 in 90402 Nürnberg

Zeit: 16.Oktober 2021, 9.00-17.45 Uhr

Kosten: 230 € (incl. Verpflegung in den Kaffeepausen)

Teilnahmevoraussetzungen: ärztliche oder psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichentherapeut*innen (auch in Ausbildung)

Anmeldung und weitere Informationen: per mail irene-ostertag@gmx.de.

Fortbildungspunkte sind bei der Bayerischen Landesärztekammer beantragt.

Programm:

09.00 – 09.15       Begrüßung
09.15 – 10.45       Einführung
10.45 – 11.00       Kaffeepause
11.00 – 12.45       Videobeispiel (Erstinterview)
12.45 – 14.00       Mittagspause
14.00 – 15.30       Videobeispiel (Therapieprozess)
15.30 – 15.45       Kaffeepause
15.45 – 17.15       Videobeispiele (mit Katamnese)
17.15 – 17.45       Abschlussdiskussion

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Vortrag: Einführung in die IS-TDP und deren Geschichte, I. Ostertag

Die Geschichte der IS-TDP, die von Habib Davanloo seit den 1960er Jahren entwickelt und gelehrt wird, ist verbunden mit der Entwicklungsgeschichte der psychodynamischen Kurzzeittherapie. Ausgehend von einem historischen Rückblick wird in die Grundlagen der Methode eingeführt.

Freitag, 5.11.21, 14:10-15:15. Diesen Vortrag hören auch die Teilnehmer des Einführungskurses.

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Vortrag: Die therapeutische Beziehung – Rupturen und Reparaturen, I. Ostertag

Die Qualität der therapeutischen Beziehung ist der zentrale Wirkfaktor für eine Therapie. Neben anderen wichtigen Voraussetzungen für eine gute therapeutische Beziehung ist eine gute Kooperation zwischen Therapeut*in und Patient*in im Therapieverlauf wesentlich. Wie können wir im Therapieprozess entstehende Brüche (Rupturen) in der therapeutischen Beziehung erkennen, analysieren, verstehen, korrigieren und vielleicht für die therapeutische Arbeit nutzbar machen? Nach einer Einführung in das Thema werden anhand von Patientenbeispielen Rupturen und mögliche Reparaturen gezeigt und diskutiert.

Sonntag, 7.11.21, 13:00-14:00

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Einführungsvortrag zur Jahrestagung 2019: Warum suchen wir nach dem Widerstand?, I. Ostertag

In einer psychotherapeutischen Behandlung soll für die Patient*innen ein Prozess der Veränderung in Gang gebracht werden. Das bisherige Gleichgewicht – wie pathologisch seine Folgen auch immer sein können – wird in Unruhe gebracht. In der Folge treten Widerstände auf, die in der therapeutischen Beziehung sichtbar werden können.

Nach einem kurzen historischen Rückblick zur Bedeutung des Widerstands in der psychodynamischen Therapie soll die spezifische Herangehensweise in der IS-TDP dargestellt werden: wie suchen wir, finden wir, analysieren wir, verstehen wir Widerstände und wie können die Patient*innen diese überwinden?

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Literaturhinweis: Persönlichkeitsstörungen – Update zu Theorie und Therapie

Das Buch Persönlichkeitsstörungen – Update zu Theorie und Praxis wurde herausgegeben von Berberich, Zaudig, Benecke, Saß und Zimmermann und ist im November 2018 erschienen.

Das erste Kapitel im vierten Teil „Therapie der Persönlichkeitsstörungen“ ist von Philipp Martius geschrieben. Er ist Professor an der Fakultät der Angewandten Sozialwissenschaften der Hochschule München, war bis 2017 Chefarzt der Abteilung für Psychosomatik an der Klinik Höhenried, ist niedergelassener Psychoanalytiker und Leiter des Instituts für Übertragungsfokussierte Therapie nach Kernberg in München und war als Gastdozent zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für IS-TDP nach Davanloo in Berlin im September 2017 eingeladen und mit einem Vortrag und einem Workshop aktiv dabei.

Martius führt ein in die psychoanalytisch fundierten Verfahren und beschreibt die IS-TDP nach Davanloo und die Übertragungsfokussierte Therapie nach Kernberg. Hier wird die IS-TDP zum ersten Mal in einem deutschen Fachbuch dargestellt und als geeignete Therapiemethode für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen genannt.

Dr. Irene Ostertag

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Buchrezension: Understanding Davanloo´s Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy, Catherine Hickey

Das Buch von Catherine Hickey, Psychiaterin in Neufundland, Canada, zeugt von dem großen Mut der Autorin, die Arbeit von Habib Davanloo und den Teilnehmern des Closed Circuit Training (CCT) Program in Montreal in den vergangenen 10 Jahren anschaulich und systematisch darzustellen. Catherine Hickey will diese Arbeit für Kliniker verständlich machen und Brücken bauen. Denn für Außenstehende sind das Setting, der experimentelle Charakter sowie die entwickelten Konzepte dieser Workshops nur schwer nachvollziehbar.

Die Autorin stellt im ersten Teil des Buches zunächst das Setting des CCT Programms vor: Die Teilnehmer des Ausbildungsprogramms sind ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten, die sich etwa dreimal pro Jahr für einige Tage in Montreal treffen, um dort mit Dr. Davanloo und mit den Kollegen zu arbeiten. Die Teilnehmer machen untereinander nach Vorgabe und unter Supervision von Dr. Davanloo Interviews, welche audiovisuell aufgezeichnet werden.

Alle Teilnehmer der Gruppe nehmen live am Geschehen des Interviews im Nebenraum teil. Durch das Beobachten und Miterleben wird parallel auch das Unbewusste der Zuschauer mobilisiert. Die erstellten Videos werden angeschaut, im Detail analysiert und ausgewertet. Manche Videos sind sehr mobilisierend und werden wiederholt gezeigt. Dies aber nicht nur, um das Unbewusste der Teilnehmer zu mobilisieren, sondern auch weil sie von hohem didaktischem Wert sind.

In der kurzen Einleitung in die Metapsychologie des Unbewussten von Davanloo beschreibt die Autorin die Zwillingsfaktoren (Übertragung und Widerstand), die Unbewusste Therapeutische Allianz, die Übertragungskomponente des Widerstands, die Zentrale Dynamische Sequenz, den Zugang zum Unbewussten, die Abfuhrwege der Angst. Ausführlich erklärt sie das Setting der Workshops – und betont hier zu Recht auch die Gruppenerfahrung, die die Arbeit zusätzlich intensiviert.

Da der Schwerpunkt des Buches auf neuen Konzepten von Davanloo aus den Jahren 2005-2015 liegt, werden diese kurz erläutert:

  • die Bedeutung des Zeitpunkts der Traumatisierung, je nachdem ob dieser vor oder nach dem 5. Lebensjahr liegt
  • die Fusion von Wut und Schuld
  • die intergenerationale Weitergabe von Neurosen, die sich in verschiedenster Form äußern kann und die mit hoch destruktivem Widerstand einhergeht
  • die in früheren therapeutischen Settings entstandenen Übertragungsneurosen, die einen hoch destruktiven Widerstand darstellen
  • die multidimensionalen Strukturveränderungen
  • die Bedeutung der neurobiologischen Abfuhrwege
  • die Auswirkungen der projektiven Angst auf Seiten des Patienten und/oder auf Seiten des Therapeuten.

Im zweiten Teil des Buches führt uns die Autorin über 19 Kapitel durch die insgesamt 23 Sitzungen einer exemplarischen Therapie mit ausführlichen Verbatimprotokollen. Dies ist meines Erachtens die Stärke des Buches: die erlebnisnahe, praxisnahe Beschreibung eines Therapieprozesses unter Berücksichtigung der metapsychologischen Schwerpunkte von Davanloo wie z.B. die Übertragungsneurose mit Therapeuten, die intergenerationale Weitergabe von Psychopathologie, die multistrukturellen unbewussten Strukturveränderungen, das pathologische Trauern, die unbewusste Abwehrorganisation.

Ein Ausflug in den aktuellen Wissenstand aus Untersuchungen psychotherapeutischer Prozesse mittels bildgebender Verfahren von Robert Tarzwell, einem kanadischen Psychiater und Nuklearmediziner, schließt das Buch ab. Er regt an, auch mögliche neurologische Veränderungen durch IS-TDP mittels Bildgebung zu untersuchen.

Was wir am Ende der spannenden und interessanten Lektüre besser verstehen werden, ist, wie die Arbeit mit dem mobilisierten Unbewussten durch die ausgedehnte Mobilisierung des Unbewussten und die totale Entfernung des Widerstands (Major mobilization of the unconscious and the total removal of resistance) einer ausgewählten Workshop-Teilnehmerin zu einer heilsamen Wirkung führt.

Dr. Irene Ostertag

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Rezension: The meta-psychology of guilt and redemption: A case study of Dickens’s Pip, Joseph (Jody) H. Clarke

Jody Clarke ist Psychotherapeut und Theologe und arbeitet in der Abteilung für pastorale Theologie an der Atlantic School of Theology in Halifax, Nova Scotia in Canada.

Er ist seit vielen Jahren IS-TDP Therapeut und Teilnehmer der Closed-Circuit Training Workshops in Montreal.

In diesem Artikel spannt der Autor einen anschaulichen Bogen von der Hauptfigur Pip in dem Roman „Große Erwartungen“ von Charles Dickens aus dem Jahr 1861 zur IS-TDP, die mit einer Fallvignette vorgestellt wird. Dies ist ein spannender, über die therapeutischen Grenzen hinausgehender – und wie ich finde sehr mutiger – Ansatz für die Untersuchung der Bedeutung von komplexen unbewussten Schuldgefühlen und von Wiedergutmachung.

In der abschließenden Diskussion erläutert der Autor eine interessante – für mich sehr unerwartete –  These für die Romanfigur, die den Leser/die Leserin zum Nachdenken anregt!

In der Einführung wird uns der von Schuld verfolgte Charakter Pip vorgestellt.

Philipp Pirrip, kurz Pip, besucht am Weihnachtsabend die Gräber seiner Eltern und seiner 5 Geschwister – so beginnt der Roman. Er ist ein verlassenes und vernachlässigtes Kind, das von dem einzig lebenden Geschwister, Mrs. Joe, aufgezogen wird. Pip hat keine Erinnerungen an seine Eltern. Clarke erwähnt Bowlbys Bindungsforschung und  führt ein in die von Davanloo beschriebenen komplexen Folgen der frühen Traumata: Das Kind erlebt durch den Verlust Schmerz und primitive Wut. Diese primitive Wut löst reaktive Schuldgefühle aus. Das Kind muss mit zwei widersprüchlichen Gefühlen, nämlich Hass und Liebe gegenüber den Bezugspersonen leben. Die Schuldgefühle kann das Kind nicht aushalten und verarbeiten, sie werden – ebenso wie die Wutgefühle –  verdrängt und beeinflussen das Leben durch z.B. selbstzerstörerisches Verhalten, Empathiemangel mit destruktiver Beziehungsgestaltung, Probleme mit Nähe und Intimität zu anderen Menschen.

Clarke geht detailliert auf die Unterscheidung von bewusster („gutartiger“) Schuld und komplexen unbewussten („bösartigen“) Schuldgefühlen ein. Er nimmt Bezug auf Nietzsche, der mit seiner Schrift „Die Genealogie der Moral“ zum Verstehen von Schuld beigetragen hat. Nietzsche argumentierte, dass Schuld zu einer sozialen Moral führen kann. („Gutartige“ Schuld leitet die Menschen an, moralisch gut zu handeln). Diese Moral kann als soziales Konstrukt die wahre Natur von Schuld minimieren, zähmen und wie unter einem Deckel verpacken. Sozial inakzeptable Gefühle werden vergraben und führen zu schlechtem Gewissen und komplexen unbewussten Schuldgefühlen. Dies hat destruktive Folgen (u.a. psychopathologische Veränderungen wie Depression, Somatisierung, zwanghafte Symptome, Ängste).

Die Romanfigur Pip hat auch bewusste Schuld: Er stiehlt eine Feile von seinem Schwager Joe Gargary, damit Magwitch, ein entflohener Strafgefangener, sich aus seinen Ketten befreien kann.

Zwei zentrale Fragen sind – so Clarke –  zu beantworten:

  1. Woher kommen die tiefen Schuldgefühle von Pip?
  2. Wenn das Epizentrum der Schuldgefühle in der frühen Kindheit ist, warum beeinflusst und quält ihn diese Schuld das ganze Leben lang, auch noch als Erwachsener?

Wie Dickens im Roman den Zugang zu den unbewussten Schuldgefühlen beschreibt, ist ähnlich der „Zentraldynamischen Sequenz“, die von Davanloo ausgearbeitet wurde:

  1. Phase der Befragung: Der Therapeut erfragt die Schwierigkeiten des Patienten.
  2. Phase des Drucks: Der Therapeut fragt nach den Gefühlen des Patienten. Das Ziel dieser Phase ist, dem Patienten die wahren Gefühle zu entlocken. Der Patient reagiert mit Widerständen. Die gemischten Gefühle gegenüber dem Therapeuten nehmen zu.
  3. Phase der Klärung: Der Therapeut benennt die Widerstände und stellt sie in Frage. (Früher Phase der Herausforderung). Davanloo betont: Der Therapeut sollte die größtmögliche Sympathie und den größtmöglichen Respekt für den Patienten haben, aber keinen Respekt und keine Wertschätzung für seine Widerstände.
  4. Übertragungswiderstand: Der Patient wird konfrontiert mit der selbstzerstörerischen Kraft der Widerstände. Diese Widerstände sind aktiv in der therapeutischen Beziehung. Der Therapeut fordert den Patienten mit Head-on Collisions auf, sich gegen die Widerstände zu stellen. Die Verantwortlichkeit für Veränderung liegt beim Patienten.
  5. Direkter Zugang zum Unbewussten: Der Patient überwindet seine Widerstände und erlebt seine Gefühle zunächst gegenüber dem Therapeuten, dann – mit Änderung des Bildes – gegenüber seinen frühen Bezugspersonen.

Dynamische Befragung der Gefühle und Erinnerungen gegenüber den Bezugspersonen und der Vergangenheit.

Dickens führt Pip durch einen Prozess, der die Phasen der CDS – bis hin zur Wiedergutmachung – widerspiegelt. Elemente der ersten Phasen finden sich in einem Dialog, der von Clarke wortwörtlich zitiert wird: Pip trifft sich nach dem (gewaltsamen) Tod seiner Schwester mit seiner Freundin Biddy. Biddy fordert ihn auf, die Gründe zu eruieren, warum er seine Schwester und seinen Schwager Joe nicht besucht hat. Biddy tröstet nicht, sondern konfrontiert Pip mit seinem destruktiven Verhalten. Pip behauptet, Joe besuchen zu wollen. Biddy schweigt dazu (Druck). Seine Übertragungsgefühle und die Angst steigen an. Biddy fragt Pip, ob er seinen Schwager wirklich besuchen will. (Betonung des eigenen Willens). Biddy verlangt Blickkontakt mit ihm (Druck). Am Ende des Dialogs klagt Pip Biddy an (primitiver Abwehrmechanismus). Er kann nach dem Gespräch nachts nicht schlafen und ärgert sich über Biddy. Unbewusste Schuldgefühle sind Pip hier nicht bewusst geworden.

Clarke verweist hier auf die IS-TDP mit der wichtigen Intervention der HOC, die angewendet wird, wenn der Widerstand in der Übertragung ist und er erwähnt zwei grundlegende Elemente der IS-TDP, die Unbewusste Therapeutische Allianz und die Übertragungskomponente des Widerstands (TCR).

Wie kann ein Therapeut dem Patienten helfen, – wie hätte Biddy als IS-TDP Therapeutin Pip weiter helfen können? – die tief vergrabenen Gefühlsschichten zugänglich zu machen?

Der therapeutische Prozess mit IS-TDP wird illustriert durch eine Fallvignette des Autors „Der leere Mann“ mit ausführlichen Verbatimprotokollen.

Der Patient Norman berichtete über Ängste und Probleme in Beziehungen, v.a. zu seiner Frau und seinen Töchtern. Im Lauf seines Lebens hatte er einige Verluste. Am einschneidensten war der Tod seines Vaters, als er 8 Jahre alt war: der Vater hatte sich auf dem Dach des Hauses erhängt und war tot vom Patienten  und seinem Bruder gefunden worden.

In der ersten Sitzung fragte der Therapeut den Patienten nach seinen Problemen. Es stellte sich heraus, dass er ängstlich und distanziert ist. Der Therapeut erklärte die therapeutische Aufgabe: „Sie sind erfolgreich im Leben, werden aber von Ängsten geplagt. Sie lieben Ihre Frau und Ihre Kinder, aber Sie verhalten sich ihnen gegenüber distanziert, als sei eine Wand zwischen Ihnen und der Welt. (…)Möchten Sie die Kräfte untersuchen, die Sie ängstlich machen und diese Wand verursachen?“

Nach Durchbrüchen ins Unbewusste, die dem Vater galten, kam es in der fünften Sitzung zu einem Wut-Durchbruch auf den Bruder gefolgt von sehr intensiven schuldbeladenen und liebevollen Gefühlen.

In der Diskussion werden die Parallelen der Probleme von Pip und Norman (v.a. die Probleme mit Nähe zu anderen Menschen) verdeutlicht.

Für Pip ist die These des Autors: seine komplexen Schuldgefühle gelten nicht seinen Eltern, sondern seiner Schwester Mrs. Joe. Jedoch: Hat er Wut auf seine Schwester? Um vergrabenen Gefühle von Pip zu verstehen, ist eine weitere Figur wichtig: Orlick, ein streitsüchtiger, verantwortungsloser Geselle, wird vom Schmied Joe gefeuert, nachdem er einen Wortwechsel mit Mrs. Joe hatte. Pip hatte einen freien Nachmittag genehmigt bekommen. Diese Bevorzugung ärgert Orlick.  Er macht für den Streit und seine nachfolgende Kündigung Pip und Mrs Joe verantwortlich. Voller Wut und Rachegefühle attackiert er Mrs. Joe. Sie wird so schwer verletzt, dass sie an den Folgen der Verletzungen stirbt. Orlick gibt Pip die Schuld an Mrs. Joe’s Tod.

Die Wut von Pip (auf seine Schwester) wird zugänglich durch die Person Orlick. Er ist wie eine Rohrleitung für die unbewussten Kräfte von Pip und aktualisiert die unbewusste mörderische Wut von Pip auf seine Schwester.

Später wird Pip von Orlick in einen Hinterhalt gelockt. In der Auseinandersetzung mit Orlicks Beschuldigungen erlebt Pip seine komplexen Gefühle. Angesichts seines drohenden Todes (Orlick will ihn  ermorden – aber der Plan missglückt) blickt Pip zurück mit Ehrlichkeit und Klarheit, erlebt Schuldgefühle und Trauer, beginnt zu beten und denkt mit Empathie an jene, die gut zu ihm waren. So kann eine Wiedergutmachung beginnen.

In der Schlussfolgerung fügt Clarke wichtige Puzzlesteine zusammen, die zu Dickens’ Roman und der IS-TDP gehören. Beispielsweise betont er die komplexen unbewussten Schuldgefühle, die Pip durchlebt – und die zentrale Bestandteile der IS-TDP sind. Sie sind wesentliche Ursachen für die Charakterpathologie. Der Autor verdeutlicht, wie in der IS-TDP die Übertragungsbeziehung systematisch genutzt wird oder mit welchen Interventionen gearbeitet wird. Im Roman macht Biddy z.B. Druck auf Pips Charakterwiderstände. Betont werden die neurobiologischen Abfuhrwege der Gefühle. In der Figur von Orlick bekommen die Wutgefühle von Pip auf seine Schwester eine Art Ventil. In der Folge hat Pip intensive Schuldgefühle.

Das Durcharbeiten der Schuldgefühle ermöglicht eine Befreiung aus der Sklaverei, Empathie, positive Nähe zu geliebten Menschen, inneren Frieden. Das erlebt Norman in der Therapie und das erlebt Pip am Ende des Romans, als er Magwitch, der ihm immer wohlgesonnen war, kurz vor dessen Tod trifft und sich mit ihm aussöhnen kann.

So schließt sich der Bogen auch dem Leser/der Leserin, wie sich „große Erwartungen“ erfüllen können, wenn Wiedergutmachung und Aussöhnung möglich sind.

Dr. Irene Ostertag

Joseph (Jody) H. Clarke: The meta-psychology of guilt and redemption: A case study of Dickens’s Pip (Die Metapsychologie von Schuld und Wiedergutmachung: eine Fallstudie von Dickens’ Pip), in: Journal of Spirituality in Mental Health, Routledge 2018

https://doi.org/10.1080/19349637.2018.1459221

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Schuldgefühle und ihre Bedeutung in der IS-TDP

Nach einem kurzen Rückblick in die Geschichte der Schuldgefühle in der psychodynamischen Therapie wird ihre Bedeutung in der IS-TDP dargestellt.

In Videoausschnitten aus der Therapie eines Patienten mit intergenerationeller Übertragungsneurose wird das körperliche Erleben der reaktiven unbewussten Schuldgefühle auf neurobiologischen Abfuhrwegen verdeutlicht.

Wir werden diskutieren, wie diese Gefühle zugänglich, erlebbar und differenziert werden können und warum diese Gefühle so wichtig sind.

Irene Ostertag

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Vortrag 1 (Hauptvortrag IS-TDP): Wie fühlen Sie mir gegenüber?“: Die emotions- und übertragungsfokussierte Arbeit in der IS-TDP (mit Videobeispiel), Jahrestagung Berlin, 15.-17.9.17

Die effektivste und intensivste Möglichkeit zur Mobilisierung des Unbewussten ist die konsequente Fokussierung auf die Übertragungsgefühle und die Widerstände, v.a. den Widerstand gegen Nähe.

Die Frage „Wie fühlen Sie mir gegenüber?“ ist eine zentrale Intervention auf dem Weg ins Unbewusste, denn es stehen die Übertragungsbeziehung und die Übertragungsgefühle im Mittelpunkt.  Der Augenmerk liegt dabei mit der Formulierung „Wie fühlen Sie?“ auf dem affektiven Erleben und nicht auf einer kognitiven Erkenntnis. Die emotionale Nähe wird mit „….mir gegenüber“ benannt. Die Beziehung so intensiv in den Mittelpunkt zu stellen bedeutet aber auch, dass Widerstände geweckt werden und darunter die Dynamik verdrängter alter Affekte aktiviert wird.

Durch Präzision und Aufmerksamkeit des Therapeuten wird das Beziehungserleben intensiviert und dem Patienten große Direktheit und Vertrauen zugemutet. Damit wird auch die Unbewusste Therapeutische Allianz geweckt.

Am Beispiel einer Therapiesitzung mit einer Patientin sollen die Auswirkung dieser hocheffektiven Intervention und weiterer spezifischer Interventionen gezeigt werden.

Irene Ostertag

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Workshop 5: Therapeutische Interventionen in der IS-TDP und TFP im Dialog, Jahrestagung Berlin, 15.-17.9.17

Die Arbeit in der IS-TDP und TFP wird – auch mit Rollenspiel – von den Dozenten zusammen mit den TeilnehmerInnen diskutiert.

Eigene Fälle sind willkommen!

Zielgruppe: alle

Irene Ostertag & Prof. Philipp Martius

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Workshop 9: Therapiemethoden im Dialog: IS-TDP, TFP, EFT, MBT, Jahrestagung Berlin, 15.-17.9.17

Unter dem Gesichtspunkt, wie in Therapien auf Emotionen und Übertragung fokussiert werden kann, soll der Blick noch ein wenig erweitert werden: von der IS-TDP und TFP zu der Emotionsfokussierten Therapie nach Greenberg und der Mentalisierungsbasierten Therapie nach Fonagy und Bateson.

In einem Versuch, Gemeinsamkeiten aufzusuchen und damit Schnittmengen zu bilden und zugleich Unterschiede aufzuspüren, kann der Dialog – selbstverständlich auch und vor allem mit den WorkshopteilnehmerInnen! –  die Positionen der Therapierichtungen erhellen.

Zielgruppe: alle

Irene Ostertag

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IS-TDP bei der Psychotherapiewoche in Erfurt, 13.-17.9.2014

IS-TDP goes Erfurt

Zum ersten Mal war dieses Jahr die IS-TDP bei der Erfurter Psychotherapiewoche dabei, die zum 22.Mal vom 13.-17.September stattfand. Irene Ostertag und Gerda Gottwik gestalteten zusammen einen 20stündigen Kurs und wurden von Yvonne Hänsch, unter deren Leitung eine dritte Rollenspielgruppe möglich war, unterstützt.
32 interessierte TeilnehmerInnen, die zum größten Teil keine Erfahrung mit der Methode mitbrachten, waren offen für die „neue“ Methode. Viele waren durch die Assoziationen, die sie mit dem Begriff „intensiv“ und „psychodynamisch“ verbinden auf den Kurs aufmerksam geworden. Es entwickelte sich, v.a. in den Rollenspielen, eine engagierte Mitarbeit mit vielen sachkundigen und offen kritischen Fragen und Diskussionen in einer guten kollegialen Atmosphäre, die auch durch einige technische Probleme nicht eingeschränkt wurde. Mehrere KollegInnen äußerten Interesse an einer fortlaufenden Weiterbildung in IS-TDP.
Erfreulicherweise ist bereits ein erneuter Kurs für die 23.Psychotherapiewoche 2015 geplant: es geht in Erfurt weiter mit IS-TDP!

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Der Zugang zum Unbewussten im Therapieprozess einer Kurzzeittherapie bei einer gut strukturierten Patientin, I. Ostertag

Anhand von Videoausschnitten aus der fortgeschrittenen Therapie einer Patientin mit Bulimie und Beziehungsstörungen soll für verschiedene Therapiesitzungen im Vergleich gezeigt werden, wie die Mobilisierung der Übertragungsgefühle und der Unbewussten Therapeutischen Allianz sowie eine bestmögliche Mobilisierung der Übertragungskomponente des Widerstands es ermöglichen, die Fusion zwischen der primitiv mörderischen Wut und der Schuldgefühle aufzulösen und einen Zugang zum Unbewussten zu schaffen.

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Mobilisierung der Übertragung bei einer Patientin mit Bulimie und Beziehungsstörungen, I. Ostertag

In Ausschnitten aus einem Erstgespräch mit einer Patientin mit Bulimie und Beziehungsstörungen wird gezeigt, wie mit konsequenter Fokussierung auf die Übertragungsgefühle und die Widerstände die unbewusste therapeutische Allianz  geweckt und das Unbewusste mobilisiert wird, um den Zugang zu der Dynamik bisher verdrängter Affekte aus der frühen Kindheit zu ermöglichen. In einem Nachgespräch reflektiert die Patientin über ihren Therapieprozess.

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Buchrezension „Lives Transformed – A Revolutionary Method of Dynamic Psychotherapy“ (David Malan/Patricia Coughlin Della Selva)

Buchrezension von Dr. Irene Ostertag:

„Lives Transformed – A Revolutionary Method of Dynamic Psychotherapy“
David Malan and Patricia Coughlin Della Selva
Karnac 2007, ISBN 978-1-85575-511-6

Wie die Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie „Leben verändert“ wird in diesem über 300 Seiten dicken Buch umfassend dargestellt.

Die zwei Autoren sind:

David Malan, der früher an der Tavistock-Klinik (zu Beginn noch unter der Leitung von Michael Balint) in London arbeitete, sich intensiv mit Kurzzeitpsychotherapie (z.B. „A Study of Brief Psychotherapy, 1963) beschäftigte und früh die Bedeutung der Arbeit von Habib Davanloo erkannte

und

Patricia della Selva, Psychologin, ausgebildet von Davanloo, die zunächst an der Syracuse University, dann an der University of Albany in New York arbeitete und 1996 ein Buch über IS-TDP („Intensive Short-term Dynamic Psychotherapy: Theory and Technique) veröffentlichte.

Das Buch zeigt mit der Falldarstellung von 7 Patienten (davon 4 Beispiele ausführlich), wie mit der IS-TDP gute therapeutische Ergebnisse erreicht werden können.

Die Einleitung zu Beginn des ersten Teils ist von beiden Autoren geschrieben und gibt einen Überblick über die Methode. Beschrieben werden das Konfliktdreieck, das Personendreieck, das „Zwiebelschalenmodell“ des Unbewussten. Besonders hervorgehoben werden der Widerstand gegen emotionale Nähe (mit Parallelen zum „Charakterpanzer“ von REICH), die Bedeutung des strafenden Über-Ichs und als wesentliches Hauptziel der IS-TDP die „Eradikation“ des Selbstbestrafungssystem im Unbewussten.

Der Leser wird mit der Technik vertraut gemacht. Betont werden die Bedeutung des körperlichen Erlebens der Gefühle und die besondere Haltung des Therapeuten. Relativ kurz dargestellt wird die Zentraldynamische Sequenz und wenig ausgeführt werden die spezifischen Interventionstechniken wie Druck , Herausforderung oder Head-on-Collision. Neben dem Erleben der Gefühle mit den drei Komponenten (kognitiv z.B. „Ich bin traurig“, physiologisch z.B. „Ich habe einen Kloß im Hals“ und mit einem Impuls z.B. „Mir ist zum Weinen“) werden die Abfuhrwege der unbewussten Angst (mit einer Tabelle) und einige Abwehrmechanismen (ebenso mit Tabelle) beschrieben. Die Bedeutung der bewussten und unbewussten therapeutischen Allianz wird genannt. Hervorgehoben werden die Komplexizität der Methode und der aufwändige Lernprozess – und dass die audiovisuellen Aufnahmen auch dazu dienen, das Unbewusste des Therapeuten zu restrukturieren.

Als einer der wenigen Hinweise auf die Entwicklung der Technik werden die Erkenntnisse genannt, die DAVANLOO aus der Arbeit von Lindemann über pathologische Trauer gewann und nutzte: Unter dem Einfluss von starken Gefühlen, wie

nach traumatischen Erlebnissen, sind Abwehren geschwächt und Patienten haben einen leichteren Zugang zu Kindheitserinnerungen.

Betont werden die Modifikationen der Technik durch die Autorin (sie arbeitet weniger konfrontativ als DAVANLOO, mit Interpretationen im Gegensatz zu DAVANLOO und mit eigener Wortwahl), die auf den Stil und die Persönlichkeit der Therapeutin zurückgeführt werden – man solle kein Roboter oder Imitator des Meisters werden.

Im letzten Kapitel des ersten Teils werden interessante empirische Befunde zusammengetragen, die die Wirksamkeit der IS-TDP belegen. Was denn therapeutisch überhaupt wirksam sei, fragt die Autorin und stellt Literatur vor. Eine Studie von WEINBERGER 1995 benennt als positive Wirkfaktoren: 1.eine positive therapeutische Allianz 2.dem Patienten zu verhelfen, sich mit dem zu konfrontieren, was er vermeidet 3.Hoffnung zu beleben 4. Kompetenzen des Patienten zu verbessern 5.dem Patienten zu ermöglichen, sich den Erfolg gönnen zu können. All diese Erfolgsfaktoren seien, so die Autorin, in der IS-TDP vorhanden. Studien zur Wirksamkeit von IS-TDP werden zitiert: v.a. die Arbeiten von ABBASS (2002, 2003), der die meisten ( genannt werden 49) kontrollierten Studien über S-TDP (hier fällt auf, dass die Methode S-TDP genannt wird!) vorzuweisen hat. In diesen Studien habe sich auch die große Kosteneinsparung wegen der kürzeren Therapiedauer herausgestellt. In einer Studie von ABBASS (2003)waren mit unterschiedlichen Therapeuten gleichermaßen gute Ergebnisse erzielt worden.

In einer Studie von SHAW (1989) wurde als wirksam definiert, wenn der Therapeut während der Befragung fokussiert und strukturiert ist. Als gute Prognosefaktoren wurden genannt, wenn gegenwärtige Konflikte des Patienten mit ungelösten Konflikten

der Vergangenheit verbunden werden können. Dies ist in der IS-TDP möglich.

Aktiv am Widerstand zu arbeiten erinnert an die Arbeit von REICH (1933), der aktiv und konfrontierend am Widerstand in der Übertragung arbeitete. Die negativen Auswirkungen von Abwehrmechanismen werden belegt: z.B. auf eine Schwächung der Immunabwehr (PENNEBAKER 1991), aber auch auf das Entstehen von Passivität, wenn durch die Abwehren Erfahrungen und Emotionen abgetötet werden.

Kein Psychotherapeut habe mehr Wert gelegt auf das körperliche Erleben von Gefühlen als DAVANLOO.

Neurobiologische Erkenntnisse (erwähnt wird DAMASIO1994) unterstützen die Bedeutung des körperlichen Erlebens der Gefühle und der Bilder, die verknüpft sind über die Verbindung von Amygdala und Neocortex , also der kognitiven und emotionalen Zentren im Gehirn. Ebenso wird MILLER (1996) zitiert: das bewusste Erleben unserer Gefühle befreit und löst die zurück gehaltene Spannung im Körper.

Laut NEBORSKY (2001) zielt die IS-TDP auf die emotionalen Zentren des Gehirns, wo die Erinnerungen an frühe Beziehungstraumata gespeichert sind und durch die Arbeit tiefe Gefühle mobilisiert werden. ABBASS fand heraus: je höher der Level der emotionalen Erfahrung, umso besser das Ergebnis der Therapie. Auch PILIERO(2003) analysierte Therapieverläufe und fand dasselbe Ergebnis: das Erleben der Gefühle in der Sitzung hat eine Schlüsselfunktion

Der zweite Teil besteht aus vier Falldarstellungen mit Verbatimprotokollen und Kommentaren: „Der geteilte Mann“, „Der kaltblütige Geschäftsmann“, „Das gute Mädchen“ und „Die Frau mit Dissoziationen“. Ausführlich wird jeweils über die Erstgespräche und kürzer gefasst über die Katamnese berichtet. Die Erstgespräche wurden von zwei Gutachtern (von Malan und seiner Frau!) gesehen, die eine dynamische Hypothese formulierten und Aussagen trafen über wichtige Gesichtspunkte für die Therapie, mögliche Ziele und Ergebnisse. (Interessanterweise waren zwar viele Voraussagen zutreffend, aber fast immer wurden die unerledigten Schuldgefühle zu selten benannt). Schuldgefühle werden z.B. bei der kurzen Falldarstellung des „Masochistischen Künstler“ gar nicht erwähnt.

Im Therapieverlauf des „Geteilten Mannes“ zeigen sich u.a. unerledigte gemischte Gefühle gegenüber dessen jüngsten Sohns, des Vaters, des Bruders. Der in der 6.Therapiesitzung (von insgesamt 24 Stunden) beschriebene Ärger auf die Therapeutin wird nicht näher ausgeführt. Wut auf die Mutter sei, so die Autorin, nie aufgetaucht. Über die Therapie mit dem „Kaltblütigen Geschäftsmann“ über 58 Stunden berichtet die Autorin über die ausführliche Arbeit an den Abwehren und über die Arbeit an der Vermischung von Wut und Sexualität.

Das Erstgespräch des „Guten Mädchens“, die an einer Colitis ulcerosa litt, war (im Gegensatz zu den übrigen Erstinterviews) unter der Supervision von DAVANLOO erfolgt (ein Hinweis, wann das Interview stattfand fehlt). Ein schrittweise Vorgehen wurde gewählt, unter Kenntnis der Diagnose und nachdem klar geworden war, dass die Patientin keinen Zugang zum Erleben von Ärger hatte und Gedanken für Gefühle hielt.

Der dritte Teil widmet sich der Diskussion. Wenn der neurotische Kernkonflikt besagt, dass es unbewusste Gefühle und Impulse gibt, die verdrängt werden mussten, weil sie inakzeptabel waren und wenn von Psychotherapie erwartet wird, dass diese bewusst gemacht und gelöst werden, dann sei die IS-TDP – wie keine andere Psychotherapieform- in der Lage, v.a. die Wut, aber ebenso die Schuld- und Trauergefühle in bestimmter Abfolge zu mobilisieren. Dies findet statt in einem besonderen (einer Halluzination ähnlichen) Bewusstseinszustand statt, im „Dreaming while awake“ . Die Gefühle werden erlebt und mit dem Therapeuten geteilt und werden häufig mit den Augen des Kindes gesehen.

Bezüglich der Therapieergebnisse berichtet die Autorin: Die positiven Veränderungen gehen nach Therapieende weiter, auffallend seien auch die äußerlichen Veränderungen. Auf die Frage, was geholfen hat, berichten die Patienten von der therapeutischen Beziehung und betonen die Hartnäckigkeit der Therapeutin bei schwierigen Gefühlen zu bleiben. Interessanterweise benennen die Patienten in den Katamnesegesprächen nicht die mörderischen Gefühle, die sie erlebt haben.

Im vierten Teil werden Unterschiede zur Psychoanalyse benannt, insbesondere die fokussierte Aktivität des Therapeuten statt gleichschwebender Aufmerksamkeit, die direkte und wiederholte Frage nach den Gefühlen und die spezifische Arbeit an den Widerständen ohne Interpretation oder Deutung. Und in einer abschließenden „Coda“ werden die wichtigsten Aspekte der IS-TDP nochmals zusammengefasst: Die Frage nach den Gefühlen des Patienten, das Blockieren der Abwehren, der spezifische Umgang mit den Widerständen und dem Patienten zu ermöglichen, seine Gefühle körperlich zu erleben.

Zusammenfassend wünsche ich diesem Buch zahlreiche kritische Leser, v.a. aus den Reihen der IS-TDP Therapeuten. Es stellt die Therapiemethode mit ausführlichen Falldarstellungen dar – leider nicht immer gut durchstrukturiert. Die der Autorin eigene „therapeutische Handschrift“ wird erkennbar.

Ob ihre „Modifikationen“ , insbesondere ihre Neigung zu Interpretationen und ihr weniger konfrontatives Vorgehen, ihrer Persönlichkeit zuzuschreiben sind oder ihrem Können bleibt offen. Hier wäre vielleicht mehr Selbstkritik zu erwarten. Dass in ihrer Arbeit das Erleben der Schuldgefühle seiner eigentlichen Bedeutung gemäß zu wenig Erwähnung findet, scheint charakteristisch und ist diskussionswürdig. Den Versuch, in Studien und im Literaturvergleich die Wirksamkeit der IS-TDP zu belegen, halte ich für einen wichtigen Ansatz, der weitere Forschung wünschenswert macht.

Buchrezension „Lives Transformed – A Revolutionary Method of Dynamic Psychotherapy“ (David Malan/Patricia Coughlin Della Selva) Read More »