Kongressteilnehmer fragen wir antworten Berlin 2017

Frage zur Closed-Circuit Life Supervision: Die Supervision gestaltete sich als möglichst korrekte Weitergabe der Interventionstechnik. Wird die Gegenübertragung des Therapeuten und überhaupt das Übertragungsgeschehen insgesamt in der Supervision nicht angesprochen?

Die Supervision ist in der ISTDP ein komplexer Prozess, in welchem die kognitive Ebene wichtig ist, während die emotionale, überwiegend unbewusste Ebene sowohl des Patienten, als auch des Therapeuten und auch des Supervisors die Bühne des Geschehens darstellt. Der Supervisor beschreibt im ersten Teil der Supervision möglichst korrekt seine/ihre Einschätzung der beobachteten diagnostischen Parameter des Patienten und der Interventionen des Therapeuten/in. Im 2. Teil tauscht er/sie sich mit dem Therapeuten über dessen/deren emotionalen Bezug zum Patienten ein und macht Vorschläge für Interventionen für den nächsten Abschnitt. Falls der Therapeut durch seine spiegelnde oder komplementäre Gegenübertragung blockiert erscheint, wird diese vorrangiges Thema der Supervision. Es kann dann ggf. nötig werden,  mit dem Therapeuten an der Quelle seiner Blockaden zu arbeiten, auch wenn der Patient im Wartezimmer dadurch etwas länger warten muss.

Gerda Gottwik

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Verändert sich denn auch die Struktur durch eine ISTDP Sitzung oder ist das nur ein großer emotionaler Budenzauber? (I. Orbes, A. Schmitt)

Bei weniger gestörten Patienten, also bei Patienten, die beziehungstraumatisierende Erfahrungen nach dem 5. Lebensjahr gemacht haben, kann es innerhalb einer Sitzung zu Strukturveränderungen kommen. Damit sind Strukturveränderungen auf drei Ebenen gemeint: Die Ebene der Angst, die Ebene der Abwehr und die Ebene der Schuldgefühle. Es ist möglich, dass Symptome nach einer Sitzung verschwinden oder zumindest stark zurückgehen. Die meisten unserer Patienten haben jedoch frühere Beziehungstraumata erlitten und brauchen daher, um dauerhafte multidimensionale Strukturveränderungen zu erreichen, viele Sitzungen mit wiederholtem Abfließen von Wut- und Schuldgefühlen und der dazugehörenden Analyse des Prozesses.  Die Analyse des Prozesses ist notwendig, damit der Patient die Zusammenhänge zwischen frühen Erfahrungen, reaktiven Gelfühlen und Abwehrmechanismen erkennt. Diese kann er mit der aktuellen Gestaltung seiner Beziehungen in Zusammenhang bringen und in sein weiteres Leben integrieren.

Ingrid Orbes & Angela Schmitt

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Im Erstinterview werden sofort heftige Gefühle ausgelöst. Wie frei ist da der Patient, der da so schnell hineingezogen ist? Hat er überhaupt eine Wahl sich zu entziehen, weil er doch Hilfe sucht und auch braucht und deshalb ja auch zum Therapeuten kommen möchte? Sie muten dem Patienten mehr zu, als ich das tue und auch tun möchte. Mir geht das zu schnell.

Ja, der Patient hat die Wahl. Zu jedem Zeitpunkt der Therapie. Aber, um den krankmachenden Motor im Unbewussten (die fusionierten kindlich-mörderischen Wutgefühle und Schuldgefühle) loszuwerden, ist rasches und zielgerichtetes Handeln wichtig. Wir muten den Patienten ein gewisses Maß an Angst zu. Eine Angst, die durch die Nähe zum Therapeuten entsteht. Diese Angst darf nicht überwältigend sein. Da Angst ein sehr unangenehmes Gefühl ist, ist es die Aufgabe des Therapeuten, und dies vor allem am Anfang der Therapie, die Phase der Angst möglichst kurz zu halten. Dafür ist es notwendig, die Übertragungskomponente des Widerstandes (transference component of resistance, kurz TCR) rasch und effektiv zu mobilisieren. Mit dem Anstieg von TCR geht ein Abfall der projektiven Angst einher und damit wird es möglich, dass Wut- und Schuldgefühle aus dem UBW evakuiert werden können. Ja, der Patient hat die Wahl, zu jedem Zeitpunkt der Therapie diese abzubrechen, es wird ihm im Rahmen der Head-on Collision als Alternative sogar angeboten. Aber abbrechen heißt ja auch, das destruktive System zu „füttern“ und davonzulaufen. Dies muss der Therapeut dem Patienten klar vor Augen führen, damit dieser neu entscheiden kann. Nur wenn dem Patienten klar wird, was er da macht, dann ist das wirklich seine Entscheidung.  Abzubrechen oder davonzulaufen vor der eigenen Angst wird ihm dann als Mechanismus bewusst, mit dem er sich aus seinen Gefühlen heraushält.  Im Prozess hat er die Chance, seine Gefühle am Therapeuten zu erleben. Warum sollte er sich dann verweigern! Mit dieser Frage und der präzisen Klärung dieses Abwehrmechanismus wird sein Wille zur Freiheit gestärkt. Der Patient kommt ja, weil er sein Problem loswerden will und nicht um davor davonlaufen oder  um sich der Begegnung mit sich selbst zu entziehen. Natürlich kann der Therapeut den Patienten nur soweit auf seiner Reise ins Unbewusste begleiten, wie er selbst die Kräfte dazu hat.

Gerhild Wagner

Im Erstinterview werden sofort heftige Gefühle ausgelöst. Wie frei ist da der Patient, der da so schnell hineingezogen ist? Hat er überhaupt eine Wahl sich zu entziehen, weil er doch Hilfe sucht und auch braucht und deshalb ja auch zum Therapeuten kommen möchte? Sie muten dem Patienten mehr zu, als ich das tue und auch tun möchte. Mir geht das zu schnell. Read More »

Warum kennen so viele, auch erfahrene Therapeuten, die ISTDP nicht?

Davanloo forschte und lehrte in Kanada und den USA. In den 1980er Jahren stellte er seine Methode erstmals in Europa, zunächst in den Niederlanden und der Schweiz, vor. 1992 fand das erste eintägige Symposium mit Dr. Davanloo in Erlangen statt. Bis 1996 kam er zu vier Symposien nach Erlangen, Dresden und Berlin. Darüber hinaus hat eine Kerngruppe intensiv bei ihm gelernt, allen voran Frau Dr. Gottwik, der es zu verdanken ist, dass es die IS-TDP überhaupt in Deutschland gibt.

Die Methode scheint zunächst einfach und logisch. Nach größeren Veranstaltungen interessiert sich häufig eine größere Anzahl von Kollegen und Kolleginnen für die IS-TDP. Da diese Arbeit damit verbunden ist, dass auch das Unbewusste des Therapeuten mobilisiert wird und damit einhergehend aber auch die Abwehrmechanismen des Therapeuten gegen diese Mobilisierung, gerät der therapeutische Prozess in Schwierigkeiten, solang der Therapeut nicht die eigenen unverarbeiteten Themen durchgearbeitet hat. Diese Prozesse erschweren die Arbeit mit der IS-TDP erheblich, und dadurch sinkt das Interesse an der IS-TDP wieder. Ein weiterer Grund gegen das Erlernen der IS-TDP ist für viele Kollegen die obligatorische und etwas aufwendige Video-Dokumentation der Sitzungen. Die Videodokumentation verhilft zwar einerseits in außerordentlichem Maße zum Verständnis des Unbewussten des Patienten und zum Verständnis und zur Verbesserung der therapeutischen Technik, ist aber andererseits auch ein gnadenloser Spiegel für den Therapeuten.

Ingrid Orbes

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Wieviel Prozent „Abbrecher“ gibt es bei Ihnen in der ISTDP?

Als diese Frage in der Abschlussdiskussion der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für IS-TDP in Berlin im September 2017 gestellt wurde, war ein deutliches Zögern zu spüren. In der Tat ist die Frage nicht ad hoc mit allgemeingültigen Prozentzahlen zu beantworten. Jeder IS-TDP Therapeut kann den Anteil an Therapieabbrüchen nur für sich selbst einschätzen. Je nach Arbeitskontext, Berufserfahrung und der Situation des eigenen Unbewussten werden sich die Abbruchraten unterscheiden. Es gibt KollegInnen, die ausschließlich nach Davanloos IS-TDP arbeiten und die ein Klientel haben, das explizit mit dieser Therapieform arbeiten möchte. Manche KollegInnen bekommen Patienten fast nur über Mundpropaganda zugewiesen. Andere KollegInnen wenden neben der IS-TDP auch andere Psychotherapiemethoden an. Wieder andere KollegInnen begleiten eine große Zahl Ausbildungskandidaten in der Selbsterfahrung. Manche arbeiten in einer Klinik, auf Station oder in der Ambulanz. In meiner kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis, aber auch in meiner stationären jugendpsychiatrischen Arbeit, entscheide ich selbst, wem ich die therapeutische Arbeit nach Davanloo anbiete und wem nicht. Für mein Klientel schätze ich die Abbruchrate folgendermaßen ein: bei Ausbildungskandidaten in Selbsterfahrung geht die Abbruchrate gegen Null. Für Jugendliche und junge Erwachsene aus der Jugendhilfe schätze ich die Abbruchrate um die 50% ein. Bei den dissozialen Jugendlichen, die ich im Zwangskontext in einer geschlossenen Abteilung für Jugendpsychiatrie behandele, würde die Abbruchrate vielleicht bei 90% liegen, wenn ich jedem die psychotherapeutische Arbeit nach Davanloo anbieten würde. Die Abbruchrate der Patientinnen mit Anorexia nervosa in meiner Praxis liegt hingegen schätzungsweise bei 10 %. Bei jungen Erwachsenen, die gezielt für die IS-TDP nach Davanloo zu mir kommen, insbesondere wenn es sich um Studenten handelt, liegt die Abbruchrate vielleicht bei 5-10%. Von den wenigen Patienten, die mit der (nicht von mir gestellten Diagnose) Borderline-Störung gekommen sind, sind etwa 70% bei der Stange geblieben. Schon recht häufig hatte ich den Fall, dass Jugendliche/Erwachsene nach Monaten oder Jahren wiederkamen und die Arbeit nach Davenloo fortsetzen wollten. In meinen geschätzten Prozentzahlen sind auch jene Fälle inbegriffen, die sich nach dem Erstinterview gegen eine weitere psychotherapeutische Arbeit nach Davanloo entscheiden. Nach einem Erstinterview hat Davanloo IMMER nachgefragt, ob der Patient auf diese Weise weiterarbeiten möchte oder nicht. Und dies soll auch die Regel  bei der jüngeren Therapeutengenerationen sein. Ist ein NEIN in diesem Moment überhaupt gleichbedeutend einem Therapieabbruch? Das Erstinterview nach Davanloo ist dazu gedacht, dass die Patienten die Methode kennenlernen können und sich danach dafür oder dagegen entscheiden. Wenn die Patienten sich gegen diese Methode entscheiden, oder wenn wir uns selbst dagegen entscheiden, überweisen wir zu anderen Psychotherapeuten oder wir arbeiten mit diesen Patienten mit einer anderen Methode weiter. Auch wenn ich z.B. traumatherapeutisch (nach verschiedenen bekannten Verfahren) weiterarbeite  oder rein zukunftsorientiert und ressourcenorientiert, so fließen doch meist Elemente der Davaloo-Arbeit mit ein. Aber: Meine höchste Hochachtung gilt denen (z.B. Psychologen und Ärzte, die mit schweren Borderline-Störungen im stationären Setting arbeiten) und die dort anfangen, wo wir aufhören, oder umgekehrt, die den Grundstein legen zu einer Strukturbesserung, die uns Therapeuten, die wir nach Davannloos IS-TDP arbeiten, einen Einstieg erst möglich macht.

Angela Schmitt

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Haben Sie keine Angst, dass der Patient tatsächlich wütend handelt – bei Ihnen in der Sitzung oder auch außerhalb der therapeutischen Sitzung?

Man muss unterscheiden zwischen dem tatsächlichen inneren Erleben von kindlichen Wutgefühlen und der Abwehr eben dieser Wutgefühle. Ein Ausagieren der inneren Spannung in Form von explosivem Verhalten oder Handgreiflich-werden ist als Abwehr der kindlichen Wutgefühle zu werten. Da dieses Ausagieren der inneren Spannung in Relation zur projektiven Angst steht, sind ein sorgfältiges Monitoring der Angst und eine rasche Erhöhung der Angsttoleranz die besten Maßnahmen gegen ein Ausagieren der inneren Spannung.

Die kindlich mörderischen Wutgefühle und die reaktiven Schuldgefühle hängen im Unbewussten fest und sorgen für Leiden und Destruktivität im Leben des Betroffenen. Wenn die tatsächlichen kindlichen Wutgefühle mobilisiert werden, ins Bewusstsein gelangen und über die neurobiologischen Bahnen nach außen abgeführt werden, dann hängen an diesen Wutgefühlen immer auch Schuldgefühle. Wir sagen, Wut- und Schuldgefühle sind im Unbewussten fusioniert. Ein Erleben und Abfließen dieser Gefühle über die neurobiologischen Bahnen ist eine Garantie dafür, dass es nicht zum Ausagieren kommt. Deshalb soll es Ziel jedes Therapeuten, der nach Davanloo arbeitet, sein, die Übertragungskomponente des Widerstandes in der ersten und in jeder folgenden Sitzung so hoch wie möglich zu mobilisieren, damit das tatsächliche, körperliche Erleben der kindlichen Gefühle stattfinden kann. Die Schuldgefühle im UBW stellen den Hauptwiderstand gegen das Erleben der Gefühle dar. Mit jedem Abfließen von Schuldgefühlen leert sich das pathogene Reservoir im UBW und damit verringert sich das Ausmaß an maligner Abwehr und damit verringert sich die Gefahr explosiven oder bösartigen Verhaltens, sowohl in der Therapiestunde als auch im Außen.

Angela Schmitt

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