Warum werden die Wut- und die Schuldgefühle in der IS-TDP als erstes bearbeitet? Wäre es nicht sinnvoller, zuerst nach dem zu fragen, was der Patient erlitten hat, statt danach, was er getan hat?

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Nicht immer sind es die Wut- und Schuldgefühle, die in der IS-TDP als erstes bearbeitet werden. Der Therapeut richtet sich nach dem, was der Patient als erstes anbietet. Dies können auch Trauergefühle sein, z.B. pathologische Trauer, oder dies kann auch  Traumaschmerz sein. Auch eine tiefe Trauer darüber, dass im Leben noch nie jemand nach wahren Gefühlen des Patienten gefragt hat, wie der Therapeut es in den IS-TDP Sitzungen mit großer Nachhaltigkeit tut.

Wut und Schuldgefühle resultieren aus den erlittenen traumatischen Erfahrungen, und ebenso resultiert Widerstand gegen emotionale Nähe daraus. Denn der Patient will um jeden Preis eine erneute traumatische Erfahrung vermeiden. Aus der langjährigen Forschung Davanloos und aus der eigenen Erfahrung mit der IS-TDP wissen wir, dass das Ausmaß der abgewehrten Wutgefühle des Patienten, der in der Kindheit Opfer war, in der Regel die tatsächlich erlebte Gewalt um vieles übersteigt. Denn die reaktiven kindlichen Wutgefühle sind animalisch primitiv und mörderisch in ihrer Qualität. Die primitive mörderische Wut über die Verletzung oder Traumatisierung der ursprünglich mit liebevollen Gefühlen aufgeladenen Bindung führt zu einer inneren Zerstörung der Beziehung, was sehr real und leibnah erlebt wird. Dies ist der Grund, warum die damit einhergehenden Schuldgefühle so groß und so destruktiv wirksam sind. Das Kind kann nicht akzeptieren, was es getan hat und die destruktive Wirkung der Schuldgefühle beginnt, das Leben des Individuums in negativer Weise zu bestimmen. Die überfordernde traumatische Erfahrung hat also letztlich Funktionseinschränkungen, Fehlanpassungen und eine Beeinträchtigung der psychosozialen Entwicklung zur Folge. Die Persönlichkeitsentwicklung ist gestört, es kann zu Persönlichkeits- und Charakterstörungen kommen.

Der Therapeut soll selbstverständlich wissen, welche Traumatisierungen der Patient erlitten hat und er sollte diese auch aktiv erfragen. In der IS-TDP werden die erlittenen Traumatisierungen jedoch zunächst nicht inhaltlich fokussiert, weil man verhindern will, dass Erinnerungen und zugehörige Affekte mobilisiert werden. Denn zu Beginn der Therapie, wenn noch kein Einstieg in die Übertragung stattgefunden hat, ist die Gefahr sehr groß, dass der Patient in regressive Abwehrhaltungen, z.B. Hilflosigkeit oder Opferhaltung, versinkt. Mit der regressiven Abwehrhaltung ist in aller Regel eine Symptomverschlechterung verbunden. Sinnvoll ist es daher, gleich zu Beginn der Therapie auf die hilfreiche Übertragungssituation und auf die emotionale Nähe in der therapeutischen Beziehung zu fokussieren. Hierdurch wird Regression vermieden und die Unbewusste Therapeutische Allianz (UTA) wird gefördert. Unbewusste Therapeutische Allianz und Head-on Collision helfen dem Patienten, eine bewältigungsorientierte aktive Haltung einzunehmen und aus der passiven Opferhaltung herauszufinden.

Wenn es dem Patienten gelungen ist, zu seinen wahren tiefen Gefühlen von Wut und Schuld zu finden, wenn also das Unbewusste sich vor Patient und Therapeut offenbart, dann ist eine ungetrübte klare Sicht auf den Inhalt und das Ausmaß der Traumatisierungen möglich, auch vergessene, verdrängte Erlebnisse und Details treten zu Tage und können bearbeitet werden.