Haben Sie keine Angst, dass der Patient tatsächlich wütend handelt – bei Ihnen in der Sitzung oder auch außerhalb der therapeutischen Sitzung?

Man muss unterscheiden zwischen dem tatsächlichen inneren Erleben von kindlichen Wutgefühlen und der Abwehr eben dieser Wutgefühle. Ein Ausagieren der inneren Spannung in Form von explosivem Verhalten oder Handgreiflich-werden ist als Abwehr der kindlichen Wutgefühle zu werten. Da dieses Ausagieren der inneren Spannung in Relation zur projektiven Angst steht, sind ein sorgfältiges Monitoring der Angst und eine rasche Erhöhung der Angsttoleranz die besten Maßnahmen gegen ein Ausagieren der inneren Spannung.

Die kindlich mörderischen Wutgefühle und die reaktiven Schuldgefühle hängen im Unbewussten fest und sorgen für Leiden und Destruktivität im Leben des Betroffenen. Wenn die tatsächlichen kindlichen Wutgefühle mobilisiert werden, ins Bewusstsein gelangen und über die neurobiologischen Bahnen nach außen abgeführt werden, dann hängen an diesen Wutgefühlen immer auch Schuldgefühle. Wir sagen, Wut- und Schuldgefühle sind im Unbewussten fusioniert. Ein Erleben und Abfließen dieser Gefühle über die neurobiologischen Bahnen ist eine Garantie dafür, dass es nicht zum Ausagieren kommt. Deshalb soll es Ziel jedes Therapeuten, der nach Davanloo arbeitet, sein, die Übertragungskomponente des Widerstandes in der ersten und in jeder folgenden Sitzung so hoch wie möglich zu mobilisieren, damit das tatsächliche, körperliche Erleben der kindlichen Gefühle stattfinden kann. Die Schuldgefühle im UBW stellen den Hauptwiderstand gegen das Erleben der Gefühle dar. Mit jedem Abfließen von Schuldgefühlen leert sich das pathogene Reservoir im UBW und damit verringert sich das Ausmaß an maligner Abwehr und damit verringert sich die Gefahr explosiven oder bösartigen Verhaltens, sowohl in der Therapiestunde als auch im Außen.

Angela Schmitt