Liebe Schuld Vergebung, das Leitmotiv der 14. Jahrestagung (IS-TDP nach Davanloo)

“That Force is the Governor: Love and Attachment” (Davanloo 2019)

Dieses Zitat von Davanloo soll die Jahrestagung 2022 beschirmen, die wir dem unermüdlichen Forscher Habib Davanloo widmen, der seit Jahrzehnten unser Lehrer ist und dessen Lehre wir in seinem Sinne bewahren wollen. Die Arbeit mit den psychotherapeutischen Techniken, die Davanloo entwickelt hat, lebt von der emotionalen Nähe, von der Begegnung zweier Individuen. In der Begegnung des Unbewussten des Therapeuten und des Unbewussten des Patienten liegt die Chance verborgen, kindliche Gefühle zu mobilisieren, die aus einer Zeit stammen, als die Liebe des Kindes zur Mutter/zum Vater und die Bindung des Kindes zur Mutter/zum Vater traumatisiert wurden. Die primitiv wütenden und die primitiv sadistischen kindlichen Gefühle im Unbewussten des Patienten sind mit den reaktiven Schuldgefühlen fusioniert, und diese wiederum stehen in direkter Verbindung zu der Liebe des Kindes zu seinen Bezugspersonen. Mit der Mobilisierung der Gefühle in der therapeutischen Beziehung wird die Angst vor einem Verlust der geliebten Bindungsperson aus der Kindheit geweckt. Ein Therapeut, der keine projektive Angst mehr hat, begegnet dem Patienten mit großer Ruhe und Stabilität. Es ist die Furchtlosigkeit des Therapeuten, die wie eine führende Hand in der Dunkelheit wirkt und dem Patienten Sicherheit gibt. Die Angstfreiheit des Therapeuten hilft dem Patienten einen Schritt nach dem anderen zu gehen. 

Im innersten Zentrum der beziehungszerstörenden Destruktivität des Patienten finden sich Liebe und Bindung zur Mutter und zum Vater und zu anderen Menschen, die wichtig waren. Und diese Liebe und Bindung ist im Verlauf der neurotischen Entwicklung über die Jahre durch die kindliche mörderische Wut und die reaktiven Schuldgefühle nicht nur zugedeckt, sondern möglicherweise sogar zementiert worden. Es sind die positiven Gefühle zu den einstigen Bezugspersonen und es sind die positiven Gefühle zum Therapeuten, die es ermöglichen, dass die projektive Angst kontrolliert und letztlich auch beseitigt werden kann. Im Zentrum der destruktiven Kräfte, denen der Therapeut in der therapeutischen Sitzung begegnet, finden wir Liebe und Bindung. Die Liebe zum eigenen Selbst, die Liebe zu den anderen Menschen. “That force is the governor: Love and attachment” (Davanloo 2019). Liebe und Bindung sind die beschützende Kraft in dem wilden Königreich unseres Unbewussten, die uns Menschen vor Destruktivität und Zerstörung schützen. Und deshalb ist es die gemeinsame Aufgabe des Patienten und des Therapeuten, in den verborgenen Zentren der Liebe im Unbewussten anzukommen. 

Warum halten die Menschen so sehr an dem Sadismus, an der Wut fest? Warum halten sie an der Schuld fest? Warum halten sie an der Schuld fest, welche garantiert, dass das Leben der Person immer weiter quälend sein wird? Davanloo: “Because one wants to keep the love!” Was wir also mit Davanloos Techniken erreichen wollen, ist, die Schuld zu entfernen und sie durch Liebe zu ersetzen. Die Liebe soll bestehen bleiben, die Schuldgefühle können verschwinden. Wir wollen die Schuld ersetzen durch Liebe und Bindung. “Guilt is like a black cloud over the unconscious. When you remove it then clarity arises” (Davanloo, 2019). 

Durch das wiederholte Erleben der Schuld und der Liebe kann im Unbewussten ein dauerhafter struktureller Wandel geschaffen werden. Dieser strukturelle Wandel ist jedoch nur möglich, wenn Patient und Therapeut zu tiefen, vertikalen Durchbrüchen ins Unbewusste gelangen und diese vielfach wiederholen. Die unbewusste projektive Angst ist dann dauerhaft entfernt. Und die Liebe und die Fähigkeit zu lieben ist dauerhaft da. Das „Du“ und das „Ich“ ist da. Unsere projektive Angst und die projektive Angst unserer Vorfahren ist dann Geschichte, sie gehört nicht mehr zu uns.