Kind als Symptomträger, M. Lindner

Anhand eines Fallbeispiels wird erläutert, inwiefern die Traumatisierung einer Mutter unmittelbar nach der eigenen Geburt zu einer epigenetisch veränderten Stressresistenz des eigenen Kindes führen kann und so den Kind zum Symptomträger der abgewehrten Gefühle der eigenen Mutter macht.

Der vorliegende Fall zeigt, dass das Kind von Geburt an schwere Verhaltensauffälligkeiten wie Schreien, aggressive Verhaltensweisen und mangelndes Regelverständnis zeigt. Der Sohn musste Kindergärten wechseln, Schulen verlassen und sabotierte sich in seinem Leistungsverhalten mit Leistungsverweigerung und aggressiven Verhalten seinen Mitschülern sowie seiner Schwester gegenüber. Da bislang alle Kinder- und Jugendtherapien des 12-jährigen Sohnes scheiterten, Erziehungsbeistand nicht fruchtete und ein weiterer Schulwechsel angedacht war, kam die Mutter in Therapie.

Bereits in den ersten zwei Therapiestunden konnte das eigene Trauma der Patientin, eine Fruchtwasserembolie ihrer Mutter sowie die Trennung von dieser im ersten halben Lebensjahr bearbeitet werden. Insbesondere konnten der Patientin ihre Charakterstörungen wie Leere, Rückzug, Hilflosigkeit, Passivität, Opferhaltung, Leidensbedürfnis, Kontrolle und Enge im Leben bewusst gemacht werden. In insgesamt 18 Therapiestunden wurden die Symptomstörungen der Patientin, die ihr nicht bewusst waren (Angst, verminderter Antrieb, Beziehungsstörung zu Mann und Sohn, Affektinkontinenz, strukturelle Schwierigkeiten) so bearbeitet, dass sie Verantwortung für ihr Leben übernimmt, ihrem Sohn Grenzen setzen kann und adäquat auf die Gefühle ihres Sohnes reagieren kann, anstatt ängstlich blockiert in Rückzug zu gehen. Neben dem Sohn konnte sich gleichzeitig auch ihre Tochter aus der Anpassung lösen und eigene Bedürfnisse äußern, anstatt ihre Mutter durch Rückzug zu vermeiden oder überangepasst zu reagieren. Der Sohn muss nun Verantwortung für sein Tun übernehmen, anstatt die abgewehrten Gefühle seiner Mutter selbstsabotierend gegen sich zu wenden. Er darf in der Klasse bleiben und auch die Kindertherapeutin arbeitet mit ihm weiter.

Anhand des Therapieverlaufs der Patientin zeigt sich, wie der eigene Sohn zu einer Figur aus der Vergangenheit der Mutter wurde und dazu instrumentalisiert wurde, das Leidensbedürfnis der Patientin zu befriedigen sowie die Opferrolle zu manifestieren. Sie quälte sich selbst und war sabotierend in ihren Beziehungen.