Buchrezension: Understanding Davanloo´s Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy, Catherine Hickey

Das Buch von Catherine Hickey, Psychiaterin in Neufundland, Canada, zeugt von dem großen Mut der Autorin, die Arbeit von Habib Davanloo und den Teilnehmern des Closed Circuit Training (CCT) Program in Montreal in den vergangenen 10 Jahren anschaulich und systematisch darzustellen. Catherine Hickey will diese Arbeit für Kliniker verständlich machen und Brücken bauen. Denn für Außenstehende sind das Setting, der experimentelle Charakter sowie die entwickelten Konzepte dieser Workshops nur schwer nachvollziehbar.

Die Autorin stellt im ersten Teil des Buches zunächst das Setting des CCT Programms vor: Die Teilnehmer des Ausbildungsprogramms sind ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten, die sich etwa dreimal pro Jahr für einige Tage in Montreal treffen, um dort mit Dr. Davanloo und mit den Kollegen zu arbeiten. Die Teilnehmer machen untereinander nach Vorgabe und unter Supervision von Dr. Davanloo Interviews, welche audiovisuell aufgezeichnet werden.

Alle Teilnehmer der Gruppe nehmen live am Geschehen des Interviews im Nebenraum teil. Durch das Beobachten und Miterleben wird parallel auch das Unbewusste der Zuschauer mobilisiert. Die erstellten Videos werden angeschaut, im Detail analysiert und ausgewertet. Manche Videos sind sehr mobilisierend und werden wiederholt gezeigt. Dies aber nicht nur, um das Unbewusste der Teilnehmer zu mobilisieren, sondern auch weil sie von hohem didaktischem Wert sind.

In der kurzen Einleitung in die Metapsychologie des Unbewussten von Davanloo beschreibt die Autorin die Zwillingsfaktoren (Übertragung und Widerstand), die Unbewusste Therapeutische Allianz, die Übertragungskomponente des Widerstands, die Zentrale Dynamische Sequenz, den Zugang zum Unbewussten, die Abfuhrwege der Angst. Ausführlich erklärt sie das Setting der Workshops – und betont hier zu Recht auch die Gruppenerfahrung, die die Arbeit zusätzlich intensiviert.

Da der Schwerpunkt des Buches auf neuen Konzepten von Davanloo aus den Jahren 2005-2015 liegt, werden diese kurz erläutert:

  • die Bedeutung des Zeitpunkts der Traumatisierung, je nachdem ob dieser vor oder nach dem 5. Lebensjahr liegt
  • die Fusion von Wut und Schuld
  • die intergenerationale Weitergabe von Neurosen, die sich in verschiedenster Form äußern kann und die mit hoch destruktivem Widerstand einhergeht
  • die in früheren therapeutischen Settings entstandenen Übertragungsneurosen, die einen hoch destruktiven Widerstand darstellen
  • die multidimensionalen Strukturveränderungen
  • die Bedeutung der neurobiologischen Abfuhrwege
  • die Auswirkungen der projektiven Angst auf Seiten des Patienten und/oder auf Seiten des Therapeuten.

Im zweiten Teil des Buches führt uns die Autorin über 19 Kapitel durch die insgesamt 23 Sitzungen einer exemplarischen Therapie mit ausführlichen Verbatimprotokollen. Dies ist meines Erachtens die Stärke des Buches: die erlebnisnahe, praxisnahe Beschreibung eines Therapieprozesses unter Berücksichtigung der metapsychologischen Schwerpunkte von Davanloo wie z.B. die Übertragungsneurose mit Therapeuten, die intergenerationale Weitergabe von Psychopathologie, die multistrukturellen unbewussten Strukturveränderungen, das pathologische Trauern, die unbewusste Abwehrorganisation.

Ein Ausflug in den aktuellen Wissenstand aus Untersuchungen psychotherapeutischer Prozesse mittels bildgebender Verfahren von Robert Tarzwell, einem kanadischen Psychiater und Nuklearmediziner, schließt das Buch ab. Er regt an, auch mögliche neurologische Veränderungen durch IS-TDP mittels Bildgebung zu untersuchen.

Was wir am Ende der spannenden und interessanten Lektüre besser verstehen werden, ist, wie die Arbeit mit dem mobilisierten Unbewussten durch die ausgedehnte Mobilisierung des Unbewussten und die totale Entfernung des Widerstands (Major mobilization of the unconscious and the total removal of resistance) einer ausgewählten Workshop-Teilnehmerin zu einer heilsamen Wirkung führt.

Dr. Irene Ostertag