Literatur

Neuerscheinung der 2. Auflage „Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo“ im Springer-Verlag

Im Januar 2020 erschien die 2. Auflage des deutschsprachigen Lehrbuchs zur IS-TDP nach Davanloo im Springer-Verlag. An diesem praxisnahen Lehrbuch haben einige unserer Mitglieder als Autoren mitgewirkt und es konnte unter den Herausgeberinnen Gerda Gottwik und Ingrid Orbes in der vollständig überarbeiteten 2. Auflage zu Jahresbeginn erscheinen. Der folgende Link führt Sie auf die Seite des Springer Verlags, wo das Buch bestellt werden kann. Es ist auch als Ebook verfügbar, auf Amazon auch für den Kindle-Reader.

Intensive psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo
Herausgeber: Gottwik, Gerda, Orbes, Ingrid (Hrsg.)
Springer 2020

Neuerscheinung der 2. Auflage „Intensive Psychodynamische Kurzzeittherapie nach Davanloo“ im Springer-Verlag Read More »

Literaturhinweis: Persönlichkeitsstörungen – Update zu Theorie und Therapie

Das Buch Persönlichkeitsstörungen – Update zu Theorie und Praxis wurde herausgegeben von Berberich, Zaudig, Benecke, Saß und Zimmermann und ist im November 2018 erschienen.

Das erste Kapitel im vierten Teil „Therapie der Persönlichkeitsstörungen“ ist von Philipp Martius geschrieben. Er ist Professor an der Fakultät der Angewandten Sozialwissenschaften der Hochschule München, war bis 2017 Chefarzt der Abteilung für Psychosomatik an der Klinik Höhenried, ist niedergelassener Psychoanalytiker und Leiter des Instituts für Übertragungsfokussierte Therapie nach Kernberg in München und war als Gastdozent zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für IS-TDP nach Davanloo in Berlin im September 2017 eingeladen und mit einem Vortrag und einem Workshop aktiv dabei.

Martius führt ein in die psychoanalytisch fundierten Verfahren und beschreibt die IS-TDP nach Davanloo und die Übertragungsfokussierte Therapie nach Kernberg. Hier wird die IS-TDP zum ersten Mal in einem deutschen Fachbuch dargestellt und als geeignete Therapiemethode für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen genannt.

Dr. Irene Ostertag

Literaturhinweis: Persönlichkeitsstörungen – Update zu Theorie und Therapie Read More »

Davanloo´s Techniques in the Case of a 17-Year-Old with Anorexia Nervosa and a Complex Unconscious

Dieser zweiteilige Artikel der AutorInnen Catherine Hickey (Discipline of Psychiatrie, Memorial University of Newfoundland, Canada), Jody Clarke (Associate Professor, Atlantic School of Theology, Halifax, Canada) und Angela Schmitt (Luxemburg, private Praxis) zeigen am Beispiel der Therapie einer 17-jährigen Patientin mit Anorexia nervosa Davanloos neuere metapsychologische und technisch Konzepte, die er in seinem Montreal Closed Circuit Training Program entwickelte, mit Fokussierung auf unterschiedliche Formen der Übertragungsneurose, der intergenerativen Übertragungsneurose und der Beschädigung der unbewussten Abwehrstruktur.

Beide Teile des Artikels sind online verfügbar: Part 1 und Part 2

 

Davanloo´s Techniques in the Case of a 17-Year-Old with Anorexia Nervosa and a Complex Unconscious Read More »

Buchrezension: Understanding Davanloo´s Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy, Catherine Hickey

Das Buch von Catherine Hickey, Psychiaterin in Neufundland, Canada, zeugt von dem großen Mut der Autorin, die Arbeit von Habib Davanloo und den Teilnehmern des Closed Circuit Training (CCT) Program in Montreal in den vergangenen 10 Jahren anschaulich und systematisch darzustellen. Catherine Hickey will diese Arbeit für Kliniker verständlich machen und Brücken bauen. Denn für Außenstehende sind das Setting, der experimentelle Charakter sowie die entwickelten Konzepte dieser Workshops nur schwer nachvollziehbar.

Die Autorin stellt im ersten Teil des Buches zunächst das Setting des CCT Programms vor: Die Teilnehmer des Ausbildungsprogramms sind ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten, die sich etwa dreimal pro Jahr für einige Tage in Montreal treffen, um dort mit Dr. Davanloo und mit den Kollegen zu arbeiten. Die Teilnehmer machen untereinander nach Vorgabe und unter Supervision von Dr. Davanloo Interviews, welche audiovisuell aufgezeichnet werden.

Alle Teilnehmer der Gruppe nehmen live am Geschehen des Interviews im Nebenraum teil. Durch das Beobachten und Miterleben wird parallel auch das Unbewusste der Zuschauer mobilisiert. Die erstellten Videos werden angeschaut, im Detail analysiert und ausgewertet. Manche Videos sind sehr mobilisierend und werden wiederholt gezeigt. Dies aber nicht nur, um das Unbewusste der Teilnehmer zu mobilisieren, sondern auch weil sie von hohem didaktischem Wert sind.

In der kurzen Einleitung in die Metapsychologie des Unbewussten von Davanloo beschreibt die Autorin die Zwillingsfaktoren (Übertragung und Widerstand), die Unbewusste Therapeutische Allianz, die Übertragungskomponente des Widerstands, die Zentrale Dynamische Sequenz, den Zugang zum Unbewussten, die Abfuhrwege der Angst. Ausführlich erklärt sie das Setting der Workshops – und betont hier zu Recht auch die Gruppenerfahrung, die die Arbeit zusätzlich intensiviert.

Da der Schwerpunkt des Buches auf neuen Konzepten von Davanloo aus den Jahren 2005-2015 liegt, werden diese kurz erläutert:

  • die Bedeutung des Zeitpunkts der Traumatisierung, je nachdem ob dieser vor oder nach dem 5. Lebensjahr liegt
  • die Fusion von Wut und Schuld
  • die intergenerationale Weitergabe von Neurosen, die sich in verschiedenster Form äußern kann und die mit hoch destruktivem Widerstand einhergeht
  • die in früheren therapeutischen Settings entstandenen Übertragungsneurosen, die einen hoch destruktiven Widerstand darstellen
  • die multidimensionalen Strukturveränderungen
  • die Bedeutung der neurobiologischen Abfuhrwege
  • die Auswirkungen der projektiven Angst auf Seiten des Patienten und/oder auf Seiten des Therapeuten.

Im zweiten Teil des Buches führt uns die Autorin über 19 Kapitel durch die insgesamt 23 Sitzungen einer exemplarischen Therapie mit ausführlichen Verbatimprotokollen. Dies ist meines Erachtens die Stärke des Buches: die erlebnisnahe, praxisnahe Beschreibung eines Therapieprozesses unter Berücksichtigung der metapsychologischen Schwerpunkte von Davanloo wie z.B. die Übertragungsneurose mit Therapeuten, die intergenerationale Weitergabe von Psychopathologie, die multistrukturellen unbewussten Strukturveränderungen, das pathologische Trauern, die unbewusste Abwehrorganisation.

Ein Ausflug in den aktuellen Wissenstand aus Untersuchungen psychotherapeutischer Prozesse mittels bildgebender Verfahren von Robert Tarzwell, einem kanadischen Psychiater und Nuklearmediziner, schließt das Buch ab. Er regt an, auch mögliche neurologische Veränderungen durch IS-TDP mittels Bildgebung zu untersuchen.

Was wir am Ende der spannenden und interessanten Lektüre besser verstehen werden, ist, wie die Arbeit mit dem mobilisierten Unbewussten durch die ausgedehnte Mobilisierung des Unbewussten und die totale Entfernung des Widerstands (Major mobilization of the unconscious and the total removal of resistance) einer ausgewählten Workshop-Teilnehmerin zu einer heilsamen Wirkung führt.

Dr. Irene Ostertag

Buchrezension: Understanding Davanloo´s Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy, Catherine Hickey Read More »

Stressorbasierte Therapieansätze und Davanloos Konzepte der projektiven Angst im Unbewussten des Patienten. Welche Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen gibt es?

Grundlage für den folgenden Aufsatz ist das Buch von Thomas Hensel „Stressorbasierte Psychotherapie“. Thomas Hensel ist niedergelassener Psychotherapeut in Offenburg und bildet als Leiter des Kinder-Trauma-Instituts KTI Psychotherapeuten in spezieller Psychotraumatherapie mit Kindern und Jugendlichen aus.

Davanloos Techniken basieren, wie viele andere Therapieansätze, auf einem ätiologisch orientierten, neurobiologisches Störungsmodell. Davanloo untersucht nicht nur Traumata, die von früher interpersonaler Gewalt und anderen traumatisierenden Lebenserfahrungen herrühren, sondern er untersucht auch die transgenerationale Weitergabe von einschränkenden Interaktions- und Emotionsregulationsmustern und deren pathogene Wirkung auf die neurobiologische Entwicklung des Säuglings und des Kleinkindes. Davanloo hat seit den 60er Jahren eine sehr große Anzahl an audiovisuell dokumentierten Therapiestunden ausgewertet. Er postuliert, dass ein hohes Maß an projektiver Angst immer mit einer eingeschränkten oder blockierten Entwicklung der Informationsüberleitung und Informationsverarbeitung zwischen limbischem System und kortikalen Zentren einhergeht. Davanloo führt die projektive Angst auf die transgenerationale und multidimensionale (das Kind wird nicht nur von einer Person, sondern von vielen Personen geprägt) Weitergabe von destruktiven neurotischen Verhaltens- und Beziehungsmustern zurück. Diese intergenerationale Transmission der psychoneurotischen Störung nennt er „maligne Übertragungsneurose“. Maligne deshalb, weil sich die damit verbundenen destruktiv kompetitiven Muster der Beziehungsgestaltung und die in der Folge beschränkten Fähigkeiten zur Emotionsregulation beziehungszerstörend und selbst-zerstörend auswirken. Davanloo hat beobachtet, dass die „maligne Übertragungsneurose“ mit einem sehr hohen Maß an unbewussten Schuldgefühlen einhergeht. Er zieht Parallelen zwischen der „malignen Übertragungsneurose“ und dem von Sigmund Freud geschaffenen Begriff des Über-Ich-Widerstandes. Ein hinsichtlich seiner Emotionsregulation schlecht ausgestattetes Individuum kann belastenden Alltagserfahrungen weniger gesunde Abwehrkraft entgegensetzen als ein emotional gut ausgestatteter Mensch, der der Welt ohne projektive Angst begegnen kann. Eine Person, die unter hoher projektiver Angst leidet, läuft Gefahr, immer weiter traumatische Erfahrungen anzuhäufen und sich damit zunehmend destruktiv zu verhalten. Statt gesunden reifen Abwehrmechanismen setzt sie maligne unreife Abwehrmechanismen ein. Das unbewusste spüren, dass die eigenen Emotionsregulations- und Abwehrkräfte schwach entwickelt sind, führt zu einer ständig erhöhten und sich situativ verstärkenden projektiven Angst. Diese projektive Angst stellt einen anhaltenden gravierenden Stressor dar, der weiteres destruktives Verhalten und weitere traumatisierende Erfahrungen auf der Beziehungsebene fördert. Davanloo geht heute davon aus, dass der Widerstand – jene unbewusste Kraft, die schmerzliche Erfahrungen in der Verdrängung halten möchte – und auch der Über-Ich-Widerstand der „malignen Übertragungsneurose“ überwindbar ist. Das Erleben der mit den frühen Traumatisierungen verbundenen primitiven Wut und den damit verketteten Schuldgefühlen ist seiner Überzeugung nach ein effizienter Weg, die „maligne Übertragungsneurose“, bzw. den Über-Ich-Widerstand und damit die projektive Angst, anhaltend aufzulösen. Davanloo hat eine Technik zur völligen Entfernung des Widerstandes entwickelt, die bei „malignen Übertragungsneurosen“ wiederholt angewendet werden muss, bis sich zeigt, dass die projektive Angst dauerhaft entfernt ist. Dann haben anhaltende intrapsychische unbewusste Strukturveränderungen stattgefunden. Der Betroffene braucht dem Erleben seiner schmerzlichen verdrängten Gefühle keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen, er muss die belastenden Gefühle nicht mehr kontrollieren und sein dysfunktionales Verhalten löst sich auf. Die Arbeit mit Davanloos Techniken erfordert, dass der Therapeut über eine gut entwickelte Emotionsregulationsfähigkeit und über ein „aufgeräumtes Unbewusstes“ verfügen muss und an die Entwicklungsfähigkeiten des Patienten glaubt. Das Ziel der Therapie mit Davanloos Techniken ist ein umfassender bewusster und unbewusster Strukturwandel. Es geht um Versöhnung mit den frühen Bindungspersonen und um das Begreifen, dass die Eltern im Rahmen ihrer eigenen behinderten und destruktiven Emotionsregulationsfähigkeiten versucht haben, ihr Bestes zu geben.

Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen mit den stressorbasierten Therapieansätzen finden sich folglich in:

  • der ressourcenorientierten Grundhaltung und dem Glauben daran, dass der Patient sich mit seinen belastenden Erfahrungen konfrontieren kann und dass dies sinnvoll und notwendig ist
  • dem Wissen um neurobiologische Zusammenhänge und der Glaube an Selbstheilungsmechanismen auf neurobiologischer Ebene
  • der Einstellung, dass belastende Beziehungs- und Lebenserfahrungen die Ursache für psychoneurotische Störungen sind und dass dysfunktionales Verhalten und dysfunktionale Beziehungsgestaltung aufgrund des Mangels an reifen Emotionsregulationsmechanismen entstehen und der Ausdruck dafür sind, dass der Betroffene versucht, diesen Mangel zu kompensieren
  • der stressorbezogenen Behandlung. Die Arbeit mit Davanloos Techniken verlangt die Beseitigung der projektiven Angst in jeder einzelnen Therapiestunde.

Stressorbasierte Therapieansätze und Davanloos Konzepte der projektiven Angst im Unbewussten des Patienten. Welche Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen gibt es? Read More »

„A Brief History of Davanloo’s IS-TDP“ von Alan Beeber

Alan Beeber, Professor für Psychiatrie in North Carolina (USA) ist mit seinem Artikel über die Geschichte der IS-TDP nach Davanloo einen Einblick in die Wurzeln der IS-TDP, deren Entstehung und deren neuere Entwicklung bis in die Gegenwart. Auch auf Davanloos Forschungsergebnisse der letzten Dekade nimmt Beeber Bezug. Den lesenswerten Artikel können Sie hier herunterladen.

„A Brief History of Davanloo’s IS-TDP“ von Alan Beeber Read More »

Rezension: The meta-psychology of guilt and redemption: A case study of Dickens’s Pip, Joseph (Jody) H. Clarke

Jody Clarke ist Psychotherapeut und Theologe und arbeitet in der Abteilung für pastorale Theologie an der Atlantic School of Theology in Halifax, Nova Scotia in Canada.

Er ist seit vielen Jahren IS-TDP Therapeut und Teilnehmer der Closed-Circuit Training Workshops in Montreal.

In diesem Artikel spannt der Autor einen anschaulichen Bogen von der Hauptfigur Pip in dem Roman „Große Erwartungen“ von Charles Dickens aus dem Jahr 1861 zur IS-TDP, die mit einer Fallvignette vorgestellt wird. Dies ist ein spannender, über die therapeutischen Grenzen hinausgehender – und wie ich finde sehr mutiger – Ansatz für die Untersuchung der Bedeutung von komplexen unbewussten Schuldgefühlen und von Wiedergutmachung.

In der abschließenden Diskussion erläutert der Autor eine interessante – für mich sehr unerwartete –  These für die Romanfigur, die den Leser/die Leserin zum Nachdenken anregt!

In der Einführung wird uns der von Schuld verfolgte Charakter Pip vorgestellt.

Philipp Pirrip, kurz Pip, besucht am Weihnachtsabend die Gräber seiner Eltern und seiner 5 Geschwister – so beginnt der Roman. Er ist ein verlassenes und vernachlässigtes Kind, das von dem einzig lebenden Geschwister, Mrs. Joe, aufgezogen wird. Pip hat keine Erinnerungen an seine Eltern. Clarke erwähnt Bowlbys Bindungsforschung und  führt ein in die von Davanloo beschriebenen komplexen Folgen der frühen Traumata: Das Kind erlebt durch den Verlust Schmerz und primitive Wut. Diese primitive Wut löst reaktive Schuldgefühle aus. Das Kind muss mit zwei widersprüchlichen Gefühlen, nämlich Hass und Liebe gegenüber den Bezugspersonen leben. Die Schuldgefühle kann das Kind nicht aushalten und verarbeiten, sie werden – ebenso wie die Wutgefühle –  verdrängt und beeinflussen das Leben durch z.B. selbstzerstörerisches Verhalten, Empathiemangel mit destruktiver Beziehungsgestaltung, Probleme mit Nähe und Intimität zu anderen Menschen.

Clarke geht detailliert auf die Unterscheidung von bewusster („gutartiger“) Schuld und komplexen unbewussten („bösartigen“) Schuldgefühlen ein. Er nimmt Bezug auf Nietzsche, der mit seiner Schrift „Die Genealogie der Moral“ zum Verstehen von Schuld beigetragen hat. Nietzsche argumentierte, dass Schuld zu einer sozialen Moral führen kann. („Gutartige“ Schuld leitet die Menschen an, moralisch gut zu handeln). Diese Moral kann als soziales Konstrukt die wahre Natur von Schuld minimieren, zähmen und wie unter einem Deckel verpacken. Sozial inakzeptable Gefühle werden vergraben und führen zu schlechtem Gewissen und komplexen unbewussten Schuldgefühlen. Dies hat destruktive Folgen (u.a. psychopathologische Veränderungen wie Depression, Somatisierung, zwanghafte Symptome, Ängste).

Die Romanfigur Pip hat auch bewusste Schuld: Er stiehlt eine Feile von seinem Schwager Joe Gargary, damit Magwitch, ein entflohener Strafgefangener, sich aus seinen Ketten befreien kann.

Zwei zentrale Fragen sind – so Clarke –  zu beantworten:

  1. Woher kommen die tiefen Schuldgefühle von Pip?
  2. Wenn das Epizentrum der Schuldgefühle in der frühen Kindheit ist, warum beeinflusst und quält ihn diese Schuld das ganze Leben lang, auch noch als Erwachsener?

Wie Dickens im Roman den Zugang zu den unbewussten Schuldgefühlen beschreibt, ist ähnlich der „Zentraldynamischen Sequenz“, die von Davanloo ausgearbeitet wurde:

  1. Phase der Befragung: Der Therapeut erfragt die Schwierigkeiten des Patienten.
  2. Phase des Drucks: Der Therapeut fragt nach den Gefühlen des Patienten. Das Ziel dieser Phase ist, dem Patienten die wahren Gefühle zu entlocken. Der Patient reagiert mit Widerständen. Die gemischten Gefühle gegenüber dem Therapeuten nehmen zu.
  3. Phase der Klärung: Der Therapeut benennt die Widerstände und stellt sie in Frage. (Früher Phase der Herausforderung). Davanloo betont: Der Therapeut sollte die größtmögliche Sympathie und den größtmöglichen Respekt für den Patienten haben, aber keinen Respekt und keine Wertschätzung für seine Widerstände.
  4. Übertragungswiderstand: Der Patient wird konfrontiert mit der selbstzerstörerischen Kraft der Widerstände. Diese Widerstände sind aktiv in der therapeutischen Beziehung. Der Therapeut fordert den Patienten mit Head-on Collisions auf, sich gegen die Widerstände zu stellen. Die Verantwortlichkeit für Veränderung liegt beim Patienten.
  5. Direkter Zugang zum Unbewussten: Der Patient überwindet seine Widerstände und erlebt seine Gefühle zunächst gegenüber dem Therapeuten, dann – mit Änderung des Bildes – gegenüber seinen frühen Bezugspersonen.

Dynamische Befragung der Gefühle und Erinnerungen gegenüber den Bezugspersonen und der Vergangenheit.

Dickens führt Pip durch einen Prozess, der die Phasen der CDS – bis hin zur Wiedergutmachung – widerspiegelt. Elemente der ersten Phasen finden sich in einem Dialog, der von Clarke wortwörtlich zitiert wird: Pip trifft sich nach dem (gewaltsamen) Tod seiner Schwester mit seiner Freundin Biddy. Biddy fordert ihn auf, die Gründe zu eruieren, warum er seine Schwester und seinen Schwager Joe nicht besucht hat. Biddy tröstet nicht, sondern konfrontiert Pip mit seinem destruktiven Verhalten. Pip behauptet, Joe besuchen zu wollen. Biddy schweigt dazu (Druck). Seine Übertragungsgefühle und die Angst steigen an. Biddy fragt Pip, ob er seinen Schwager wirklich besuchen will. (Betonung des eigenen Willens). Biddy verlangt Blickkontakt mit ihm (Druck). Am Ende des Dialogs klagt Pip Biddy an (primitiver Abwehrmechanismus). Er kann nach dem Gespräch nachts nicht schlafen und ärgert sich über Biddy. Unbewusste Schuldgefühle sind Pip hier nicht bewusst geworden.

Clarke verweist hier auf die IS-TDP mit der wichtigen Intervention der HOC, die angewendet wird, wenn der Widerstand in der Übertragung ist und er erwähnt zwei grundlegende Elemente der IS-TDP, die Unbewusste Therapeutische Allianz und die Übertragungskomponente des Widerstands (TCR).

Wie kann ein Therapeut dem Patienten helfen, – wie hätte Biddy als IS-TDP Therapeutin Pip weiter helfen können? – die tief vergrabenen Gefühlsschichten zugänglich zu machen?

Der therapeutische Prozess mit IS-TDP wird illustriert durch eine Fallvignette des Autors „Der leere Mann“ mit ausführlichen Verbatimprotokollen.

Der Patient Norman berichtete über Ängste und Probleme in Beziehungen, v.a. zu seiner Frau und seinen Töchtern. Im Lauf seines Lebens hatte er einige Verluste. Am einschneidensten war der Tod seines Vaters, als er 8 Jahre alt war: der Vater hatte sich auf dem Dach des Hauses erhängt und war tot vom Patienten  und seinem Bruder gefunden worden.

In der ersten Sitzung fragte der Therapeut den Patienten nach seinen Problemen. Es stellte sich heraus, dass er ängstlich und distanziert ist. Der Therapeut erklärte die therapeutische Aufgabe: „Sie sind erfolgreich im Leben, werden aber von Ängsten geplagt. Sie lieben Ihre Frau und Ihre Kinder, aber Sie verhalten sich ihnen gegenüber distanziert, als sei eine Wand zwischen Ihnen und der Welt. (…)Möchten Sie die Kräfte untersuchen, die Sie ängstlich machen und diese Wand verursachen?“

Nach Durchbrüchen ins Unbewusste, die dem Vater galten, kam es in der fünften Sitzung zu einem Wut-Durchbruch auf den Bruder gefolgt von sehr intensiven schuldbeladenen und liebevollen Gefühlen.

In der Diskussion werden die Parallelen der Probleme von Pip und Norman (v.a. die Probleme mit Nähe zu anderen Menschen) verdeutlicht.

Für Pip ist die These des Autors: seine komplexen Schuldgefühle gelten nicht seinen Eltern, sondern seiner Schwester Mrs. Joe. Jedoch: Hat er Wut auf seine Schwester? Um vergrabenen Gefühle von Pip zu verstehen, ist eine weitere Figur wichtig: Orlick, ein streitsüchtiger, verantwortungsloser Geselle, wird vom Schmied Joe gefeuert, nachdem er einen Wortwechsel mit Mrs. Joe hatte. Pip hatte einen freien Nachmittag genehmigt bekommen. Diese Bevorzugung ärgert Orlick.  Er macht für den Streit und seine nachfolgende Kündigung Pip und Mrs Joe verantwortlich. Voller Wut und Rachegefühle attackiert er Mrs. Joe. Sie wird so schwer verletzt, dass sie an den Folgen der Verletzungen stirbt. Orlick gibt Pip die Schuld an Mrs. Joe’s Tod.

Die Wut von Pip (auf seine Schwester) wird zugänglich durch die Person Orlick. Er ist wie eine Rohrleitung für die unbewussten Kräfte von Pip und aktualisiert die unbewusste mörderische Wut von Pip auf seine Schwester.

Später wird Pip von Orlick in einen Hinterhalt gelockt. In der Auseinandersetzung mit Orlicks Beschuldigungen erlebt Pip seine komplexen Gefühle. Angesichts seines drohenden Todes (Orlick will ihn  ermorden – aber der Plan missglückt) blickt Pip zurück mit Ehrlichkeit und Klarheit, erlebt Schuldgefühle und Trauer, beginnt zu beten und denkt mit Empathie an jene, die gut zu ihm waren. So kann eine Wiedergutmachung beginnen.

In der Schlussfolgerung fügt Clarke wichtige Puzzlesteine zusammen, die zu Dickens’ Roman und der IS-TDP gehören. Beispielsweise betont er die komplexen unbewussten Schuldgefühle, die Pip durchlebt – und die zentrale Bestandteile der IS-TDP sind. Sie sind wesentliche Ursachen für die Charakterpathologie. Der Autor verdeutlicht, wie in der IS-TDP die Übertragungsbeziehung systematisch genutzt wird oder mit welchen Interventionen gearbeitet wird. Im Roman macht Biddy z.B. Druck auf Pips Charakterwiderstände. Betont werden die neurobiologischen Abfuhrwege der Gefühle. In der Figur von Orlick bekommen die Wutgefühle von Pip auf seine Schwester eine Art Ventil. In der Folge hat Pip intensive Schuldgefühle.

Das Durcharbeiten der Schuldgefühle ermöglicht eine Befreiung aus der Sklaverei, Empathie, positive Nähe zu geliebten Menschen, inneren Frieden. Das erlebt Norman in der Therapie und das erlebt Pip am Ende des Romans, als er Magwitch, der ihm immer wohlgesonnen war, kurz vor dessen Tod trifft und sich mit ihm aussöhnen kann.

So schließt sich der Bogen auch dem Leser/der Leserin, wie sich „große Erwartungen“ erfüllen können, wenn Wiedergutmachung und Aussöhnung möglich sind.

Dr. Irene Ostertag

Joseph (Jody) H. Clarke: The meta-psychology of guilt and redemption: A case study of Dickens’s Pip (Die Metapsychologie von Schuld und Wiedergutmachung: eine Fallstudie von Dickens’ Pip), in: Journal of Spirituality in Mental Health, Routledge 2018

https://doi.org/10.1080/19349637.2018.1459221

Rezension: The meta-psychology of guilt and redemption: A case study of Dickens’s Pip, Joseph (Jody) H. Clarke Read More »

Buchbesprechung: Trauma, Schuldgefühl und Wiedergutmachung – Wie Affekte innere Entwicklung ermöglichen, Heinz Weiss

Die Buchvorstellung von Christian Klein im Deutschen Ärzteblatt im März 2018 weckte mein Interesse an diesem Fachbuch, weil die Ausführungen hier sehr viele Parallelen zur Metapsycho-logie der IS-TDP nach Davanloo vermuten ließen. Das bestätigte sich dann auch für mich bei der Lektüre.

„Heinz Weiß, Prof. Dr. med., ist Chefarzt der Abteilung für psychosomatische Medizin am Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart … und Mitglied des Direktoriums am Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt a. M.“

Ich selbst habe nach einer guten tiefenpsychologischen Ausbildung weiter gesucht und in der Theorie und Praxis der IS-TDP etwas gefunden, was mich persönlich und meine Arbeit entscheidend vorangebracht hat. Umso bedeutsamer ist es für mich, in diesem Buch eine ähnliche Weiterentwicklung zu finden.

Im Folgenden möchte ich auf Sachverhalte eingehen, die mich beim Lesen des Buches besonders angesprochen haben, was natürlich nicht der Komplexität des dargestellten Konzepts gerecht werden kann.

Zitat: „Unserem natürlichen Bestreben nach Versöhnung, Vergebung und Wiedergutmachung stehen oft Groll, Zorn, Schuldgefühl und Scham im Wege.“

Bei Wiedergutmachung geht es darum, „… die Beschädigung der inneren Welt wieder auszugleichen und zu begrenzen.“ („die zerstörerischen und selbstzerstörerischen Kräfte“).

Wenn ich mir davon ausgehend diese Frage für die IS-TDP stelle, sehe ich die „Wiedergutmachung“, im Entmischen von Wut und Schuld, im Abfließen der Schuldgefühle und schmerzlichen Gefühle, im Ermöglichen von Nähe und Zulassen von liebevollen Gefühlen auf Körperebene, in der Versöhnung mit den Objekten (bzw. Introjekten), im Überwinden der destruktiven Widerstände/neurotischen Mechanismen, dass dadurch Freiheit und Nutzen des eigenen Potenzials möglich wird (multidimensionale Strukturveränderung).

Von Bedeutung sind hier die Gefühle und ihr körperlicher Ausdruck, ähnlich wie in der IS-TDP:

Groll       Blick ist „in einer anklagender, vorwurfsvoller Weise von unten nach oben gerichtet“

Zorn       Blick zielt „aus einer überlegenen, selbstgerechten Position in einer verächtlichen Weise             von oben nach unten auf den anderen“ 

Scham „Gesehen werden durch ein Gegenüber …, welches spöttisch auf einen herabblickt“

Schuld   für die vermeintliche Verantwortung für das Handeln der Objekte, für das eigene              

              Mitwirken in dem System, für den Hass auf die Objekte

Bei der IS-TDP sind das Erleben der Gefühle auf Körperebene und die Pathway-Mobilisierung von besonderer Bedeutung.

Schuldgefühle beziehen sich in der IS-TDP insbesondere auf die eigene mörderische Wut.

„… Groll und Zorn – verhinderten lange Zeit das Durcharbeiten von Schuldgefühlen. Statt Wiedergutmachung zu ermöglichen, riefen sie Demütigung und Zerknirschung hervor, was selbst wiederum Rachebedürfnisse nährte und dadurch den Wiederholungszwang und die Beschädigung der inneren Objekte fortsetzte.“ (vgl. Perpetrator/Rächer im Unbewussten)

Notwendig sei das Überwinden der Spaltung und Projektion und das Erreichen der „depressiven Position“ (nach Melanie Klein 1946), was mit „intensiven Trauer- und Schuldgefühlen einher(geht), verbunden mit dem Bestreben, …  wieder zusammenzufügen, zu bewahren …“

„Nur wenn die guten und schlechten Gefühle sich annähern können, indem die Spaltung vermieden wird, kann sich … die Funktion der Wiedergutmachung entwickeln“ (Rosenfeld).

Das macht mich wieder einmal mehr auf die Bedeutung der gemischten Gefühle als Voraussetzung für das Erleben der Schuldgefühle aufmerksam.

Nach Henry Rey gebe es „verborgene Wiedergutmachungsbestrebungen“ im Pat., die es aufzuspüren“ gilt. (vgl. UTA)

Der Wert der Arbeit mit Übertragung und Gegenübertragung wird in Folgendem bildlich dargestellt: Das „Durcharbeiten der Gegenübertragung … bildet das Nadelöhr, durch das die schwierigen emotionalen Erfahrungen des Patienten hindurchschlüpfen müssen …“

Bei der IS-TDP ist ein entscheidender Prozess die Pathway-Mobilisierung mittels TCR (Übertragungskomponente des Widerstandes).

Zu finden sind auch das Undoing von Omnipotenz und die therapeutische Kapitulation.

„Erst in jenen Momenten, in denen ich die Begrenztheit meiner Möglichkeiten anerkennen musste und nahe daran war aufzugeben, wurde es auch für Herrn D. möglich, sich seine Einsamkeit und Verzweiflung einzugestehen. Es schien, …, als müssten beide, Analytiker und Patient, den Zusammenbruch ihrer Omnipotenz erleben, …“

Es wird die Anwendung des Konzepts in hochfrequenter ambulanter psychoanalytischer Psychotherapie geschildert. Dabei frage ich mich, inwiefern es durch die IS-TDP wirklich schneller geht und inwiefern die Prozesse mehr Zeit brauchen.

Soweit einige (für mich) markante Vignetten aus dem Buch, das mich durch die etwas andere Perspektive und durch das innere Vergleichen viele Anregungen gab.

Und es zeigt sich auch wieder für mich, wie viele Gemeinsamkeiten, aber auch Differenzierungen, es zwischen den Therapiemethoden gibt.

Susanne Krumnow

Heinz Weiß: Trauma, Schuldgefühl und Wiedergutmachung – Wie Affekte innere Entwicklung ermöglichen, Klett-Cotta-Verlag Stuttgart

Buchbesprechung: Trauma, Schuldgefühl und Wiedergutmachung – Wie Affekte innere Entwicklung ermöglichen, Heinz Weiss Read More »

Buchbesprechung: Psychotherapie und Neurobiologie – Neurowissenschaftliche Erkenntnisse für die psychotherapeutische Praxis, Jürgen Brunner

Jürgen Brunner, der am Max-Plank-Institut gearbeitet hat und inzwischen in eigener Praxis als Psychotherapeut niedergelassen ist, verbindet eine naturwissenschaftliche Herangehensweise an die Pathogenese von Störungsbildern mit Fürsorge und Empathie für seine Patienten.

Brunner beschreibt, wie die genetische Ausstattung frühe traumatische Umwelteinflüsse lindert oder verstärkt und wie umgekehrt traumatische Erfahrungen zu epigenetischen Veränderungen führen. Vulnerabilität und Resilienz sind eine Frage von mehr oder weniger Glück oder Pech im Leben – die genetische Ausstattung und die frühkindliche Umgebung sind vorgegeben. Aber neurobiologischer Reduktionismus liegt dem Autor fern. Er diskutiert die häufigsten Störungsbilder, Depressionen, Angststörungen und die posttraumatische Belastungsstörung und damit gekoppelte Veränderungen in den Strukturen des Emotionsnetzwerkes (die Amygdala, das mesolimbische Belohnungssystem, der Hippocampus, der präfrontale Cortex u.a.) und betont immer wieder die basale Bedeutung von Bindung und Mentalisierung für die psychische Entwicklung.

Wer sich für die Entwicklungen in der Neurobiologie interessiert, erfährt Wissenswertes über die Grundlagen von Neuroanatomie und Neurophysiologie, über neuronale Netzwerkmodelle, über das limbische System und welche methodenkritischen Einwände es gegenüber Bildgebungsverfahren zu berücksichtigen gilt.

Der Autor stellt fest, dass eine erfolgreiche Psychotherapie mit neurobiologischen Strukturveränderungen einhergeht  und zieht Schlüsse für ein psychotherapeutisches Vorgehen. Patienten mit strukturellen Defiziten brauchen, nach Grawe und Brunner, ein Gegenüber, das beeltert, fördert und antwortet. Oder nach Alexander, eine korrigierende emotionale Beziehungserfahrung, die der Wiederholung und Konsolidierung bedarf, um eine Bahnung zu erreichen. Zentral ist eine Ressourcen orientierte Haltung des Therapeuten, die parallel mit einer Problemaktualisierung einhergeht. Zum Vergleich: In der IS-TDP spricht Davanloo bei der Head-on-Collison von einer Balance beim Schwingen zwischen Widerstand und Ressourcen. Nach Brunner ist es ein zentrales Prinzip, dass eine Problemaktualisierung immer mit einer Bewältigungs- und Klärungserfahrung verbunden sein muss – was in der IS-TDP seine Entsprechung findet im Erleben und im Standhalten von intensiven archaischen Gefühlen beim Durchbruch ins Unbewusste und in der klärenden Analyse.

Neue neuronale Verbindungen werden durch solch korrigierende emotionale Erfahrungen gebaut. Aktivierung und Bahnung sind zentrale neurobiologische Prinzipien jeglicher therapeutischer Veränderungen. Eine wirksame Psychotherapie führt zu einer Erweiterung und Flexibilisierung des Repertoires und zu erweiterten Handlungsmöglichkeiten. Davanloo spricht an dieser Stelle von neu erworbener Fluidität des Unbewussten und von multidimensionalen unbewussten Strukturveränderungen.

Wichtig sind, ebenfalls bereits zum Therapiebeginn, die motivationale Klärung und die Herausarbeitung des Therapieziels – in der IS-TDP wird dementsprechend das Problem, der freie Wille und die Aufgabe geklärt.

Im Unterschied zur IS-TDP findet sich bei Brunner kein Hinweis auf die komplexe Psychodynamik von Trauma und Traumaschmerz und deren Kopplung an reaktive Wut-,  Schuld- und Trauergefühle. Brunner konzentriert sich auf den Antagonismus zwischen mesolimbischem Belohnungssystem (N. accumbens) und der Amygdala mit dem Angstnetzwerk, also auf das Annäherungs- und Vermeidungssystem, und verknüpft damit die Bindungstheorie.

Negative Gefühle werden von Brunner ganz allgemein unter Angst subsumiert, eine Ausdifferenzierung findet nicht statt und entsprechend gibt er zur Bedeutung und zur Lösung der aus IS-TDP Sicht zentralen und pathogenen Schuldgefühle auch keine Therapieempfehlungen.

Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass in der IS-TDP Interventionen zur Deaktivierung von Übertragung und Omnipotenz unverzichtbar sind. Brunner betont zwar, dass es notwendig sei, dem Patienten auch wichtige Entscheidungen zu überlassen, um sein Bedürfnis nach Kontrolle und Selbstwirksamkeit zu berücksichtigen – aber schon diese Formulierung zeigt das Autoritätsgefälle zwischen Therapeut und Patient an. Von partnerschaftlicher Zusammenarbeit und der Betonung der Mitverantwortung des Patienten für den Therapieprozess, also von einer Deaktivierung (Undoing of Transference and Omnipotence) im Sinne von Davanloo ist nicht die Rede.

Insgesamt ist Brunners Schulen übergreifende Darstellung aber durchwegs empfehlenswert, informativ und kurzweilig zu lesen und hat mit knapp 200 Seiten einen Umfang, der auch in der wenigen kostbaren Freizeit noch gut zu bewältigen ist.

Buchbesprechung: Psychotherapie und Neurobiologie – Neurowissenschaftliche Erkenntnisse für die psychotherapeutische Praxis, Jürgen Brunner Read More »

Neue Veröffentlichungen zu Davanloo’s ISTDP

Wir freuen uns, Ihnen vier aktuelle Artikel vorstellen zu können, die als Open Access Download kostenlos zu Verfügung stehen. Die Artikel geben Einblick in Davanloos aktuelle Forschung zur Übertragungsneurose.

  • Irene Ostertag & Atessa Firouz-Petermann
    Presence or Absence of Transference Neurosis
    in: Dominic Brewer (Hrsg.), Psychotherapy: Methods, Outcomes and Future Directions, Nova Science Publishers, 171-194
    Abstract: In the first part of this article the authors will introduce Davanloo’s Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy; they will present an overview of Davanloo’s definition of Transference Neurosis, as well as his classification of 3 categories of patients.
  • Alan Beeber
    Davanloo’s New Metapsychology of the Unconscious: Intensive Short-Term Dynamic Psychotherapy, Mobilization of the Unconscious and Total Removal of Resistance
    in: Dominic Brewer (Hrsg.), Psychotherapy: Methods, Outcomes and Future Directions, Nova Science Publishers, 79-108
    Abstract: This chapter addresses the development of the work of Habib Davanloo, M.D. from the early 1960’s to the present. His focus has been both on shortening the length of psychoanalytic therapies and expanding the base of patients treatable with his techniques. He, like others at the time, initially worked with highly motivated patients with a single therapeutic focus. Over the decades his clinical and clinical research base expanded to include patients with the highest complexity in their unconscious structure and the highest unconscious resistance. This includes the full spectrum of neurotic and characterologic disturbances, fragile character structure and complex cases of persistent, unresolved Transference Neurosis. His current clinical work, clinical research and education of therapists have major implications for the future of dynamic psychotherapy. His metapsychology is presented with attention to the issues of unconscious feelings, manifestations of unconscious anxiety and his unique perspective on the unconscious defensive structure. His methods of Intensive Short-term Dynamic Psychotherapy (DISTDP) with “unlocking the unconscious,” Mobilization of the Unconscious, and Total Removal of Resistance are described. The evidence base for short-term dynamic and DISTDP is briefly reviewed. Lastly, the focus of Davanloo’s current work is introduced, namely his concentration on Transference Neurosis. This topic is discussed further in the next chapter.
  • Alan Beeber
    Transference Neurosis: Contributions of Habib Davanloo
    in: Dominic Brewer (Hrsg.), Psychotherapy: Methods, Outcomes and Future Directions, Nova Science Publishers, 109-132
    Abstract: This chapter is an integration of several presentations I have given over the past several years on Davanloo’s conceptualization of Transference Neurosis, from a metapsychological, clinical and technical point of view. The history of the development of the concept of Transference Neurosis is reviewed. Initially described by Freud as a “new edition of the old disease,” it was the hallmark of psychoanalytic therapy. It had been a tenet of psychoanalysis that by working through the Transference Neurosis, via interpretation, neurosis could be cured.
    Transference Neurosis is defined. Davanloo’s most recent work is summarized. It is his view that Transference Neurosis is a morbid process that adds a new, destructive defensive system on top of the Original Neurosis. Davanloo states that when DISTDP is practiced in an optimum fashion there is no development of Transference Neurosis. However, not every treatment is optimum. Unconscious factors, including Transference Neurosis/Neuroses in the unconscious of the therapist, can complicate therapy.
    Davanloo’s broader sense of Transference Neurosis is explicated. Clinical indications of the presence of a Transference Neurosis are reviewed and specific clinical types are described. The negative effect of Transference Neurosis on access to the Original Neurosis in the Unconscious is reviewed. Lastly, Davanloo’s method of removal of the Transference Neurosis is described, which relies heavily on his method of Multidimensional Unconscious Structural Change. Davanloo has pointed out the insidious nature of Transference Neurosis in the clinical situation and has shown that it is reversible.
    The theoretical concepts presented in this chapter including the terminology such as Mobilization of the Unconscious, Transference Component of the Resistance, Complex Transference Feeling, Unconscious Therapeutic Alliance, Central Dynamic Sequence, Perpetrator of the Unconscious, Fusion of Primitive Murderous Rage with Guilt and Sexuality, Intergenerational Destructive Competitive Transference Neurosis, Uplifting the Transference Neurosis, Unlocking the Unconscious, and others, are not mine. They were developed by Dr. Davanloo over more than fifty years of his systematic clinical research. My aim has been to integrate these concepts for my colleagues and to solidify my own understanding of them in the process. I wish to acknowledge the contribution that Dr. Davanloo has made to me personally and professionally, and to our field.
  • Cathrin Hickey
    Davanloo’s Intensive Short-term Dynamic Psychotherapy and Major Mobilization of the Unconscious
    in: Dominic Brewer (Hrsg.), Psychotherapy: Methods, Outcomes and Future Directions, Nova Science Publishers, 133-170
    Abstract: The last several decades have seen a renewed focus on Brief Dynamic Psychotherapies. This chapter will focus on one particular Brief Dynamic Psychotherapy of interest known as Davanloo’s Intensive Short-term Dynamic Psychotherapy—otherwise known as IS-TDP. IS-TDP has been the subject of widespread acclaim and critique alike. Supporters feel that it is unique in its targeted focus on transference and the actual experience of unconscious emotions. Critics claim that its relentless focus on transference feelings and resistance can be seen by some as confrontational. That said, many regard Davanloo as a historical figure and are familiar with only the older theories and techniques associated with his work. Few realize that, after forty years of research, he is still active in theorizing his understanding of the “Metapsychology of the Unconscious.” He is also extremely active in teaching his technique and has an active, experiential, competency-based training program in Montreal, Canada. It is through this program that he has further developed his understanding of the human unconscious. He has greatly expanded his initial focus on the twin factors of transference and resistance in the clinical setting. Through means of Closed Circuit audiovisual recording, Davanloo has further developed and refined many new concepts related to the unconscious. The purpose of this chapter is threefold: to review the early work of Davanloo and his “Metapsychology of the Unconscious,” to discuss his current teaching and research program known as the Montreal Closed Circuit Training Program, and to review some of his newer approaches and findings. A variety of clinical vignettes from the Montreal Closed Circuit Training Program will be used to illustrate both Davanloo’s new theories and his current approach to technical interventions.

Neue Veröffentlichungen zu Davanloo’s ISTDP Read More »