Die Buchvorstellung von Christian Klein im Deutschen Ärzteblatt im März 2018 weckte mein Interesse an diesem Fachbuch, weil die Ausführungen hier sehr viele Parallelen zur Metapsycho-logie der IS-TDP nach Davanloo vermuten ließen. Das bestätigte sich dann auch für mich bei der Lektüre.
„Heinz Weiß, Prof. Dr. med., ist Chefarzt der Abteilung für psychosomatische Medizin am Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart … und Mitglied des Direktoriums am Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt a. M.“
Ich selbst habe nach einer guten tiefenpsychologischen Ausbildung weiter gesucht und in der Theorie und Praxis der IS-TDP etwas gefunden, was mich persönlich und meine Arbeit entscheidend vorangebracht hat. Umso bedeutsamer ist es für mich, in diesem Buch eine ähnliche Weiterentwicklung zu finden.
Im Folgenden möchte ich auf Sachverhalte eingehen, die mich beim Lesen des Buches besonders angesprochen haben, was natürlich nicht der Komplexität des dargestellten Konzepts gerecht werden kann.
Zitat: „Unserem natürlichen Bestreben nach Versöhnung, Vergebung und Wiedergutmachung stehen oft Groll, Zorn, Schuldgefühl und Scham im Wege.“
Bei Wiedergutmachung geht es darum, „… die Beschädigung der inneren Welt wieder auszugleichen und zu begrenzen.“ („die zerstörerischen und selbstzerstörerischen Kräfte“).
Wenn ich mir davon ausgehend diese Frage für die IS-TDP stelle, sehe ich die „Wiedergutmachung“, im Entmischen von Wut und Schuld, im Abfließen der Schuldgefühle und schmerzlichen Gefühle, im Ermöglichen von Nähe und Zulassen von liebevollen Gefühlen auf Körperebene, in der Versöhnung mit den Objekten (bzw. Introjekten), im Überwinden der destruktiven Widerstände/neurotischen Mechanismen, dass dadurch Freiheit und Nutzen des eigenen Potenzials möglich wird (multidimensionale Strukturveränderung).
Von Bedeutung sind hier die Gefühle und ihr körperlicher Ausdruck, ähnlich wie in der IS-TDP:
Groll Blick ist „in einer anklagender, vorwurfsvoller Weise von unten nach oben gerichtet“
Zorn Blick zielt „aus einer überlegenen, selbstgerechten Position in einer verächtlichen Weise von oben nach unten auf den anderen“
Scham „Gesehen werden durch ein Gegenüber …, welches spöttisch auf einen herabblickt“
Schuld für die vermeintliche Verantwortung für das Handeln der Objekte, für das eigene
Mitwirken in dem System, für den Hass auf die Objekte
Bei der IS-TDP sind das Erleben der Gefühle auf Körperebene und die Pathway-Mobilisierung von besonderer Bedeutung.
Schuldgefühle beziehen sich in der IS-TDP insbesondere auf die eigene mörderische Wut.
„… Groll und Zorn – verhinderten lange Zeit das Durcharbeiten von Schuldgefühlen. Statt Wiedergutmachung zu ermöglichen, riefen sie Demütigung und Zerknirschung hervor, was selbst wiederum Rachebedürfnisse nährte und dadurch den Wiederholungszwang und die Beschädigung der inneren Objekte fortsetzte.“ (vgl. Perpetrator/Rächer im Unbewussten)
Notwendig sei das Überwinden der Spaltung und Projektion und das Erreichen der „depressiven Position“ (nach Melanie Klein 1946), was mit „intensiven Trauer- und Schuldgefühlen einher(geht), verbunden mit dem Bestreben, … wieder zusammenzufügen, zu bewahren …“
„Nur wenn die guten und schlechten Gefühle sich annähern können, indem die Spaltung vermieden wird, kann sich … die Funktion der Wiedergutmachung entwickeln“ (Rosenfeld).
Das macht mich wieder einmal mehr auf die Bedeutung der gemischten Gefühle als Voraussetzung für das Erleben der Schuldgefühle aufmerksam.
Nach Henry Rey gebe es „verborgene Wiedergutmachungsbestrebungen“ im Pat., die es aufzuspüren“ gilt. (vgl. UTA)
Der Wert der Arbeit mit Übertragung und Gegenübertragung wird in Folgendem bildlich dargestellt: Das „Durcharbeiten der Gegenübertragung … bildet das Nadelöhr, durch das die schwierigen emotionalen Erfahrungen des Patienten hindurchschlüpfen müssen …“
Bei der IS-TDP ist ein entscheidender Prozess die Pathway-Mobilisierung mittels TCR (Übertragungskomponente des Widerstandes).
Zu finden sind auch das Undoing von Omnipotenz und die therapeutische Kapitulation.
„Erst in jenen Momenten, in denen ich die Begrenztheit meiner Möglichkeiten anerkennen musste und nahe daran war aufzugeben, wurde es auch für Herrn D. möglich, sich seine Einsamkeit und Verzweiflung einzugestehen. Es schien, …, als müssten beide, Analytiker und Patient, den Zusammenbruch ihrer Omnipotenz erleben, …“
Es wird die Anwendung des Konzepts in hochfrequenter ambulanter psychoanalytischer Psychotherapie geschildert. Dabei frage ich mich, inwiefern es durch die IS-TDP wirklich schneller geht und inwiefern die Prozesse mehr Zeit brauchen.
Soweit einige (für mich) markante Vignetten aus dem Buch, das mich durch die etwas andere Perspektive und durch das innere Vergleichen viele Anregungen gab.
Und es zeigt sich auch wieder für mich, wie viele Gemeinsamkeiten, aber auch Differenzierungen, es zwischen den Therapiemethoden gibt.
Susanne Krumnow
Heinz Weiß: Trauma, Schuldgefühl und Wiedergutmachung – Wie Affekte innere Entwicklung ermöglichen, Klett-Cotta-Verlag Stuttgart