Stressorbasierte Therapieansätze und Davanloos Konzepte der projektiven Angst im Unbewussten des Patienten. Welche Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen gibt es?

Grundlage für den folgenden Aufsatz ist das Buch von Thomas Hensel „Stressorbasierte Psychotherapie“. Thomas Hensel ist niedergelassener Psychotherapeut in Offenburg und bildet als Leiter des Kinder-Trauma-Instituts KTI Psychotherapeuten in spezieller Psychotraumatherapie mit Kindern und Jugendlichen aus.

Davanloos Techniken basieren, wie viele andere Therapieansätze, auf einem ätiologisch orientierten, neurobiologisches Störungsmodell. Davanloo untersucht nicht nur Traumata, die von früher interpersonaler Gewalt und anderen traumatisierenden Lebenserfahrungen herrühren, sondern er untersucht auch die transgenerationale Weitergabe von einschränkenden Interaktions- und Emotionsregulationsmustern und deren pathogene Wirkung auf die neurobiologische Entwicklung des Säuglings und des Kleinkindes. Davanloo hat seit den 60er Jahren eine sehr große Anzahl an audiovisuell dokumentierten Therapiestunden ausgewertet. Er postuliert, dass ein hohes Maß an projektiver Angst immer mit einer eingeschränkten oder blockierten Entwicklung der Informationsüberleitung und Informationsverarbeitung zwischen limbischem System und kortikalen Zentren einhergeht. Davanloo führt die projektive Angst auf die transgenerationale und multidimensionale (das Kind wird nicht nur von einer Person, sondern von vielen Personen geprägt) Weitergabe von destruktiven neurotischen Verhaltens- und Beziehungsmustern zurück. Diese intergenerationale Transmission der psychoneurotischen Störung nennt er „maligne Übertragungsneurose“. Maligne deshalb, weil sich die damit verbundenen destruktiv kompetitiven Muster der Beziehungsgestaltung und die in der Folge beschränkten Fähigkeiten zur Emotionsregulation beziehungszerstörend und selbst-zerstörend auswirken. Davanloo hat beobachtet, dass die „maligne Übertragungsneurose“ mit einem sehr hohen Maß an unbewussten Schuldgefühlen einhergeht. Er zieht Parallelen zwischen der „malignen Übertragungsneurose“ und dem von Sigmund Freud geschaffenen Begriff des Über-Ich-Widerstandes. Ein hinsichtlich seiner Emotionsregulation schlecht ausgestattetes Individuum kann belastenden Alltagserfahrungen weniger gesunde Abwehrkraft entgegensetzen als ein emotional gut ausgestatteter Mensch, der der Welt ohne projektive Angst begegnen kann. Eine Person, die unter hoher projektiver Angst leidet, läuft Gefahr, immer weiter traumatische Erfahrungen anzuhäufen und sich damit zunehmend destruktiv zu verhalten. Statt gesunden reifen Abwehrmechanismen setzt sie maligne unreife Abwehrmechanismen ein. Das unbewusste spüren, dass die eigenen Emotionsregulations- und Abwehrkräfte schwach entwickelt sind, führt zu einer ständig erhöhten und sich situativ verstärkenden projektiven Angst. Diese projektive Angst stellt einen anhaltenden gravierenden Stressor dar, der weiteres destruktives Verhalten und weitere traumatisierende Erfahrungen auf der Beziehungsebene fördert. Davanloo geht heute davon aus, dass der Widerstand – jene unbewusste Kraft, die schmerzliche Erfahrungen in der Verdrängung halten möchte – und auch der Über-Ich-Widerstand der „malignen Übertragungsneurose“ überwindbar ist. Das Erleben der mit den frühen Traumatisierungen verbundenen primitiven Wut und den damit verketteten Schuldgefühlen ist seiner Überzeugung nach ein effizienter Weg, die „maligne Übertragungsneurose“, bzw. den Über-Ich-Widerstand und damit die projektive Angst, anhaltend aufzulösen. Davanloo hat eine Technik zur völligen Entfernung des Widerstandes entwickelt, die bei „malignen Übertragungsneurosen“ wiederholt angewendet werden muss, bis sich zeigt, dass die projektive Angst dauerhaft entfernt ist. Dann haben anhaltende intrapsychische unbewusste Strukturveränderungen stattgefunden. Der Betroffene braucht dem Erleben seiner schmerzlichen verdrängten Gefühle keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen, er muss die belastenden Gefühle nicht mehr kontrollieren und sein dysfunktionales Verhalten löst sich auf. Die Arbeit mit Davanloos Techniken erfordert, dass der Therapeut über eine gut entwickelte Emotionsregulationsfähigkeit und über ein „aufgeräumtes Unbewusstes“ verfügen muss und an die Entwicklungsfähigkeiten des Patienten glaubt. Das Ziel der Therapie mit Davanloos Techniken ist ein umfassender bewusster und unbewusster Strukturwandel. Es geht um Versöhnung mit den frühen Bindungspersonen und um das Begreifen, dass die Eltern im Rahmen ihrer eigenen behinderten und destruktiven Emotionsregulationsfähigkeiten versucht haben, ihr Bestes zu geben.

Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen mit den stressorbasierten Therapieansätzen finden sich folglich in:

  • der ressourcenorientierten Grundhaltung und dem Glauben daran, dass der Patient sich mit seinen belastenden Erfahrungen konfrontieren kann und dass dies sinnvoll und notwendig ist
  • dem Wissen um neurobiologische Zusammenhänge und der Glaube an Selbstheilungsmechanismen auf neurobiologischer Ebene
  • der Einstellung, dass belastende Beziehungs- und Lebenserfahrungen die Ursache für psychoneurotische Störungen sind und dass dysfunktionales Verhalten und dysfunktionale Beziehungsgestaltung aufgrund des Mangels an reifen Emotionsregulationsmechanismen entstehen und der Ausdruck dafür sind, dass der Betroffene versucht, diesen Mangel zu kompensieren
  • der stressorbezogenen Behandlung. Die Arbeit mit Davanloos Techniken verlangt die Beseitigung der projektiven Angst in jeder einzelnen Therapiestunde.