Der Patient ist ein 30-jähriger Mechatroniker, der wegen Depression und Angststörung in Behandlung kam. Nachdem er trotz seiner besonderen Fähigkeiten, komplizierte Probleme an Geräten zu lösen, wiederholt nur für niedere Arbeiten eingesetzt worden war, wurde er zusätzlich von seinem Chef zum 2. Mal bei einer Beförderung übergangen. Darauf reagierte er mit Panikattacken und wurde arbeitsunfähig. (Mutterübertragung).
Seine Freizeit verbringt er seit fünf Jahren fast ausschließlich mit Computerspielen und Fernsehfilmen. Suchtmäßig findet dabei Befriedigung im „Lösen kniffeliger Aufgaben“.
Seine bisher einzige Liebesbeziehung scheiterte nach ein paar Monaten. Vor seiner Mutter hatte er immer Angst; er verhält sich „brav“, unterwürfig, innerlich völlig distanziert, oppositionell, voller Vorwürfe, unverzeihlich. Sie habe ihn beschimpft ohne Begründung, seelisch verletzt und zerstört, sei dann schreiend aus dem Raum oder habe ihn in sein Zimmer geschickt.
Seine Eltern stammten aus Rumänien. Von ihrem 5. Lebensjahr an wurde seiner Mutter der Haushalt und die Fürsorge für die neu geborenen Zwillingsbrüder übertragen. Wenn ihre Eltern abends spät von der Arbeit heimkamen, sei sie beschimpft und bestraft worden „für alles, was die Brüder verbockt hatten oder was sonst nicht in Ordnung war“. Wahrscheinlich sei sie auch sexuell missbraucht worden.
Seine Mutter hatte mit dem Patienten eine maligne Übertragungsneurose; sie sieht in ihm die Peiniger ihrer Kindheit. Der Patient erfüllt ihre Erwartungen mit seinem bockigen oppositionellen, leidenden Charakter. Gleichzeitig klebt er an ihr. Seinen Vater erlebt er als gerecht, aber nutzlos gegenüber der Mutter.
Wir werden Ausschnitte aus einer Sitzung der laufenden Therapie sehen. Nach einem erfolgreichen Erstinterview waren die ersten 1 ½ Jahre vom Aufbau von Angsttoleranz und vom Durcharbeiten maligner Abwehr und ständigen Versuchen, die Therapeutin in eine ÜN zu verwickeln, gekennzeichnet. Seit ½ Jahr hat eine Serie von Durchbrüchen mit sadistischer primitiv-mörderischer Wut über die Therapeutin auf die Mutter stattgefunden, gefolgt von Schuldgefühlen. Allmählich tauchten gelegentlich auch positive Gefühle zur Mutter auf.
Gerda Gottwik